Tickets teurer und elektronisch
Verkehrsverbund: Preiserhöhungen für Busse und Bahnen 2011 möglich
Bus- und Bahnfahrgäste in Berlin und dem Umland müssen sich auf steigende Fahrpreise einstellen. »Für 2011 sind Preiserhöhungen nicht ausgeschlossen, darüber wird diskutiert«, sagte Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), gestern am Rande einer VBB-Regionalkonferenz. Nach zwei Jahren stabiler Preise müsse über eine Einnahmeverbesserung der Verkehrsbetriebe nachgedacht werden, so Franz.
Die Einnahmen der Verkehrsunternehmen im Verbund sind aber im vergangenen Jahr trotz S-Bahn-Krise um 2,7 Prozent gestiegen, damit kassierten sie erstmals mehr als eine Milliarde Euro. Zum Erfolg trug insbesondere das im vergangenen Jahr eingeführte Seniorenticket 65plus bei, mit dem derzeit monatlich 66 000 Kunden unterwegs sind. »Das hat uns einen Einnahme-Schub gebracht«, sagte Franz. Im April verteuerte sich das Ticket um zwei auf 47 Euro. Für 2011 sind insgesamt Preissteigerungen von 2,8 Prozent im Gespräch. Während Stammkunden weitgehend geschont werden sollen, könnte sich der Preis für den Einzelfahrschein von derzeit 2,10 Euro um 10 oder 20 Cent erhöhen.
Der Fahrschein selbst wird bald ausgedient haben, zumindest in Papierform. Ab 1. April 2011 sollen die ersten elektronischen Tickets ausgegeben werden. Der Praxistest laufe im ersten Quartal, kündigte Franz an. Zunächst sollen dann Abonnement-, Schüler und Firmentickets auf die elektronische Chipkarte als Fahrausweis umgerüstet werden. Vorteil für die Kunden: Sie müssen am Monatsbeginn nicht mehr die Wertmarken tauschen, unabsichtliches Schwarzfahren ist nicht mehr möglich. Bei Verlust können die Tickets sofort gesperrt und ersetzt werden.
Bei der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs wünscht sich der VBB-Chef offenbar französische Verhältnisse. In Paris zahlen Unternehmen drei Prozent der Lohnsumme direkt an die Nahverkehrsbetriebe, zudem erstatten sie ihren Beschäftigten die Hälfte der Kosten für eine Monatskarte. Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) forderte angesichts der S-Bahn-Krise eine Neuausrichtung der Bahnpolitik. Die Orientierung aufs Gemeinwohl müsse besser gesetzlich »unterfüttert« werden. So müssten Gewinnabflüsse an den Konzern gekappt und in den öffentlichen Nahverkehr reinvestiert werden. Außerdem regte sie eine Befreiung der Schiene von der Stromsteuer und die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Fernverkehrstickets an. Mit 19 Prozent sei sie die höchste in Europa.
Bei den Nachverhandlungen zum S-Bahn-Vertrag demonstriert die Senatorin weiterhin Zuversicht, dass ein »gutes Ergebnis« erzielt wird, worauf man »nicht bis zum Sommer« werde warten müssen. Die Verhandlungen mit der Bahn ziehen sich bereits seit Herbst hin, mehrfach wurden selbst gesetzte Termine überschritten, auch ein Spitzentreffen zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Bahnchef Rüdiger Grube konnte daran nichts ändern. Im Kern geht es darum, dass die Bahn auch Abzüge bei den Senatszuschüssen akzeptiert, wenn die S-Bahnen mit weniger Wagen unterwegs sind. Die Bahn will nun dem Vernehmen nach diese Frage mit der Einnahmeaufteilung mit der BVG verknüpfen. Bisher gehen etwa zwei Drittel der Fahrgeldeinnahmen an die BVG, der Rest an S- und Regionalbahn.
Gefährdet ist der vor knapp zwei Jahren innerhalb des Öffentlichen Beschäftigungssektors (ÖBS) eingeführte Begleitservice für Senioren und mobilitätseingeschränkte Fahrgäste. Die Arbeitsverträge mit den rund 60 Beschäftigten laufen Ende Juli aus, ihre weitere Finanzierung ist nicht gesichert, da es dafür neue Regelungen des Bundes gibt. »Der Bedarf an diesem Service ist groß, monatlich werden rund 1000 Begleitungen organisiert. Es wäre fatal, diese Unterstützung auslaufen zu lassen«, warnt VBB-Chef Franz. Das sieht man auch im Hause von Sozialsenatorin Carola Bluhm (LINKE) so. »Wir versuchen, die Mittel umzuswitchen und hoffen, dass die JobCenter die Finanzierung bewilligen«, so Sprecherin Anja Wollny.
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