Neutrinos in der Falle

Physiker weisen Teilchenverwandlung nach

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 2 Min.

Im Fels des italienischen Gran-Sasso-Massivs befindet sich in einer Tiefe von 1400 Metern das größte unterirdische Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik: das Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS). Dort ist es Wissenschaftlern jetzt erstmalig gelungen, eine sogenannte Neutrino-Oszillation, sprich die spontane Umwandlung eines Myon-Neutrinos in ein Tau-Neutrino nachzuweisen.

All dies geschah im Rahmen eines länderübergreifenden Experiments, für das im August 2006 der Startschuss fiel. Seitdem werden am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf in einem Teilchenbeschleuniger Strahlen von Myon-Neutrinos erzeugt und danach 730 Kilometer weit durch die Erdkruste in Richtung Italien gesandt. Nach einer Flugzeit von 2,4 Millisekunden treffen die Strahlen dort auf den 5000 Tonnen schweren »OPERA«-Detektor des LNGS, der eigens zu dem Zweck konstruiert wurde, Neutrino-Oszillationen zu belegen. Von den zig Milliarden Myon-Neutrinos, die das unterirdische Labor bislang durchquert haben, blieben nur einige Tausend in der Bleimasse des Detektors hängen. Dabei bildeten sich verschiedene Teilchenschauer. Einer davon könne mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf die Entstehung eines Tau-Neutrinos zurückgeführt werden, verlautet aus dem LNGS.

Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen, von denen drei Sorten existieren: Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos. Im Rahmen des physikalischen Standardmodells gelten diese allesamt als stabile und masselose Teilchen, die mit Materie kaum wechselwirken. Allerdings gab es bereits Ende der 1960er Jahre erste Zweifel an der Neutrino-Stabilität und Hinweise darauf, dass die verschiedenen Teilchensorten sich von selbst ineinander umwandeln können. So gingen etwa von den Neutrinos einer bestimmten Sorte, die von einem Beschleuniger ausgesandt wurden, viele auf dem Weg zu einem entfernten Detektor »verloren«. Eigentlich hätten dafür Neutrinos einer anderen Sorte auftauchen müssen; doch die Forscher konnten solche nicht finden.

Jetzt sei die Suche endlich erfolgreich gewesen, sagt LNGS-Direktor Lucia Votano: »Das OPERA-Experiment hat sein erstes Ziel erreicht: Die Detektion eines Tau-Neutrinos, das aus der Transformation eines Myon-Neutrinos während der Reise von Genf nach Gran Sasso entstanden ist.« Sollte sich dieses Ergebnis im weiteren Verlauf des Experiments bestätigen, hätte es gravierende Konsequenzen für die Theorie der Elementarteilchen. Denn die erwähnte Transformation ist nur möglich, wenn Neutrinos Masse besitzen. Somit wäre das Standardmodell zumindest in diesem Punkt revisionsbedürftig, und manche Physiker befürchten sogar, dass es generell überarbeitet werden muss.

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