Traumatische Erlebnisse brennen sich ein

Der Gedächtnisforscher Hans J. Markowitsch über die Unmöglichkeit des Verdrängens

Über Deutschland rollt eine Welle der Enthüllungen: Odenwaldschule, Regensburger Domspatzen, Kloster Ettal – die Skandale um Missbrauch und Misshandlungen in Klöstern und Internaten reißen nicht ab. Warum haben die Opfer so lange geschwiegen? Und warum kann man Erlebtes nicht vergessen? Von Gedächtnisforscher Hans J. Markowitsch bekam Tania Greiner Antworten.

Der Psychologe Prof. Dr. Hans J. Markowitsch lehrt und forscht an der Universität Bielefeld.
Der Psychologe Prof. Dr. Hans J. Markowitsch lehrt und forscht an der Universität Bielefeld.

ND: Warum kann unser Gehirn Schreckliches nicht vergessen?
Markowitsch: Diese schwerwiegenden emotionalen Erfahrungen hinterlassen im Gehirn eines Kindes oder Jugendlichen sehr tiefe Spuren. Denn ein traumatisches Erlebnis verstellt die biochemischen Schrauben im Gehirn der Betroffenen.

Es herrscht ständig ein erhöhtes Level an Stresshormonen, das auf Dauer zu einer Überempfindlichkeit führt. Im Erwachsenenalter wird dann bereits bei kleineren Stressereignissen das Gehirn von Hormonen geflutet, die das Gedächtnis in seiner Funktion stören können. Wenn Sie sich an etwas aus ihrer Jugend erinnern, zum Beispiel den »ersten« Kuss, setzt das Gehirn diese autobiographische Erinnerung immer aus zwei unterschiedlichen Teilen zusammen. Die bloßen Fakten holt es aus dem Hippocampus, die dazugehörigen Gefühle aus dem Mandelkern. Doch genau in diesen Regionen des limbischen Systems finden sich die meisten Andockstellen für Stresshormone. Überflute...



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