Der Feind im Schatten

Autor Henning Mankell eröffnete Lesereise nach Rückkehr von der Gaza-Blockade

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf der Bühne, vor geschlossenem Vorhang stehen drei Stühle, zwei Tische. Der Zuschauerraum der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ist voll besetzt, als Henning Mankell am Donnerstagabend die Bühne betritt. Gemeinsam mit Schauspieler Axel Milberg eröffnet der schwedische Autor die Lesereise zu seinem neuen Kriminalroman »Der Feind im Schatten«.

Der Auftakt zur Lesereise, die ursprünglich in Zürich beginnen sollte, widmet sich an diesem Abend nicht ausschließlich dem Buch. Mankell, gerade aus Israel zurückgekehrt, war an Bord der »Sofia« Teilnehmer eines Versuchs, die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Die Literaturwissenschaftlerin Julika Griem spricht mit Mankell über das Buch und kündigt an, Mankell werde den Abend auch nutzen, um über seine Erlebnisse zu sprechen.

Mankell, der zeitweise in Südafrika lebt, erklärt seine Teilnahme an der Gaza-Flotille mit einem alten Sprichwort: Solange noch eine einzige Person unfrei ist, ist niemand frei. Der Gazastreifen sei das größte geografische Gefängnis der Welt. Es sei eine schreckliche Sache, die Rückkehr des Monsters Apartheid zu beobachten. »An Bord der Schiffe hatten wir ausschließlich Hilfsgüter, wie Baumaterial und Medikamente, keinerlei Waffen. Es war eine durchweg friedliche Aktion, keine Kriegserklärung an Israel.« Zum Zeitpunkt des Angriffs war die Flotte in internationalen Gewässern unterwegs. Israelische Elitesoldaten seilten sich von Hubschraubern erst auf das Führungsschiff »Mavi Marmara« der Gaza-Flotte ab und später auch auf andere der insgesamt sechs Schiffe. Neun Menschen wurden getötet, mehrere verletzt. »Wir wurden angegriffen und nach Israel verschleppt. Das waren Piraterie und Entführung«, sagt Mankell. Trotz der misslungenen Aktion, sei er sich sicher, dass die Aktion auf gewisse Weise ein Erfolg war. Die Menschen dazu zu motivieren, nicht aufzugeben, sei etwas Gutes, ist sich Mankell sicher. Wenige Stunden vor der Lesung stellt sich der Autor den Fragen von Journalisten. Ob er die Schmähung »nützlicher Idiot« kenne, fragt einer provozierend, schließlich sei der türkische Hauptsponsor der Unternehmung als Finanzier islamischer Extremisten bekannt. Nein, er sehe sich nicht als »nützlichen Idioten«, sagt Mankell. Wenn die Aktion auch nur ein Schritt auf dem Weg zur Lockerung der Gaza-Blockade sei, sei sie erfolgreich.

Der Schöpfer von Kommissar Kurt Wallander erzählt am Abend ruhig und besonnen, die Erschöpfung der letzten Tage ist noch sichtbar. Julika Griem versucht, den Bogen von Mankells Erlebnissen zum Plot des neuen Romans zu schlagen, der bis in den Kalten Krieg zurückreicht. Wallander sei mittlerweile eine Art politisches Tier, in jedem Buch erfahre er eine politische Lektion. Mankell selbst bezeichnet sich indes als Zeuge, nicht als Lernenden.

Das Buch »Der Feind im Schatten« ist Wallanders letzter Fall, weshalb Mankell seinem Protagonisten nicht die Gnade einer Kugel gestattet habe, fragt Griem. Mankell lässt Wallanders Karriere als Polizist in der Diagnose Alzheimer enden, mit Ende des Buches lebt der Ermittler noch, dennoch steht ihm ein Wegdämmern bevor, wie Mankell es beschreibt. Er habe nicht den Fehler begehen wollen, den Arthur Conan Doyle gemacht hat, sagt Mankell lächelnd. Wallander wie Sherlock Holmes erschießen zu lassen wäre kein gutes Ende gewesen.

Die Stimmung auf der Lesung ist trotz des etwas anderen Rahmens entspannt, Mankells persönliche Anekdoten werden mit Zwischenapplaus belohnt. Seine Ansichten zum Gazakonflikt schildert er ohne erhobenen Zeigefinger. Auch Axel Milberg dankt das Publikum mit lang anhaltendem Applaus für seine Lesung.

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