Viele Endspiele für Wowereit
Regierender Bürgermeister sprach über Stadtautobahn, Schloss, Charité und Fußball
Am Fußball kommt seit gestern auch in der Stadtpolitik niemand vorbei. Da war in der Industrie- und Handelskammer (IHK) nicht der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zu einem Vortrag angetreten, sondern der »Berliner Mannschaftskapitän«, der in den verbleibenden Monaten bis zur Abgeordnetenhauswahl noch viele »Endspiele« zu bestreiten habe, wie der IHK-»Spielfüh- rer« Eric Schweitzer launig anmerkte. Damit meinte er etwa die Entscheidungen zur A 100, zu BBI, der Zukunft des Flughafens Tegel oder zur »Verhinderung der Neugründung von Staatsbetrieben durch einige Senatsmitglieder«, wie Schweitzer schon mal ein wenig gegen ein Lieblingsprojekt von Wowereits Mitspielern in den dunkelroten Trikots holzte.
Der Berliner Käpt'n nahm den Ball dankend auf und versprach, auf dem bevorstehenden SPD-Landesparteitag für die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 zu kämpfen (Beifall auch von den hinteren Rängen). Das wird schwer, hat doch die SPD-Antragskommission gerade einen gegenteiligen Antrag zur Annahme empfohlen. Wowereit beteuerte zwar, dass es bei seinem Einsatz überhaupt nicht um die autogerechte Stadt gehe, und »wenn wir es selber finanzieren müssten, bräuchten wir auch nicht lange überlegen.« Es wäre aber fatal, das Geld an Bundesverkehrsminister Ramsauer zurückzugeben, »denn das sind Investitionen und Arbeitsplätze«. Was aber in der Diskussion überhaupt keine Rolle spiele, wie er bedauerte.
Wowereit spielt aber nicht nur Regional-, sondern immer auch Bundesliga. Und da zückte er für die Sparbeschlüsse der Bundesregierung gleich mehrere rote Karten. Was der Bund da in Berlin spare, heiße nicht Schloss, sondern Humboldt-Forum, und dessen Errichtung sei eine nationale Aufgabe und ein Zeichen von Internationalität. Aber das habe der Bund nicht begriffen, empörte sich Wowereit. Wer auf Investitionen von 552 Millionen Euro verzichte, liege kultur- und wirtschaftspolitisch falsch. Die geplante Flugsteuer bezeichnete er als »Desaster« für den Standort, aber ökologisch würde nichts erreicht. Passagiere würden bei Umsteigeflügen einen Bogen um Deutschland machen. Was für Berlin, wo gerade Drehkreuzstrukturen aufgebaut würden, von großem Schaden wäre.
Stichwort BBI: Auch Wowereit rechnet jetzt offenbar mit Verzögerungen, der Termin 30. Oktober 2011 sei jedenfalls »kein Fetisch«. Experten erwarten die Eröffnung frühestens Mitte 2012. Wowereit ist aber sicher, dass es ein »Vorzeigeflughafen« wird.
Als Riesenerfolg wertete Wowereit, dass im Landesetat im Bereich Wissenschaft und Forschung nichts gekürzt werde und für die Sanierung der Charité 330 Millionen Euro bereitgestellt werden. Am Rande der Veranstaltung erklärte Charité-Chef Karl Max Einhäupl jedoch den Journalisten, dass dieses Geld nicht reichen werde. Denn von 330 Millionen seien bereits 170 Millionen Euro in begonnene Bauvorhaben wie etwa die Vorklinik verplant. Blieben noch 160 Millionen übrig, für Sanierung oder Neubau des Bettenhochhauses zu wenig, so Einhäupl. Um sinnvoll beginnen zu können, wird es einen Aufschlag von 50 bis 100 Millionen Euro geben müssen. Vom Senat sei diese Summe nach 2013 auch in Aussicht gestellt, wenn sich die Neubauvariante als wirtschaftlicher erweise.
»Mehr Geld ist derzeit nicht drin«, beschied Wowereit jedoch dem Charité-Chef. In Zeiten der Finanzkrise habe man nicht das Geld für Investitionen in allen Bereichen. Ob die Situation 2014 eine andere ist, werde man sehen.
Womit man in der Zukunft und wieder beim Fußball angekommen war. Wer 2012 die Neujahrsbotschaft an die Berliner richten wird? Natürlich Wowereit. Und wer wird Weltmeister? »Der, der gewinnt«, antwortete Wowereit. »Aber Deutschland kommt ziemlich weit.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.