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Hintermänner sind U1 und U2

Prozessauftakt zum Überfall auf das internationale Poker-Turnier

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 4 Min.
Die vier Pokerräuber hinter Panzerglas: Vedat S., Ahmad El-A., Jihad C., Mustafa U. Fotos: dpa
Die vier Pokerräuber hinter Panzerglas: Vedat S., Ahmad El-A., Jihad C., Mustafa U. Fotos: dpa

Was für ein Gangsterstück! Frech, genial, dummdreist. Mitten in der Stadt, zur besten Kaffeezeit. Und Millionen waren faktisch live dabei, als vier bewaffnete, mit Sturmhauben getarnte Männer das Foyer des Grand-Hyatt-Hotels am Berliner Potsdamer Platz stürmten. Das war keine Inszenierung. Das Ganze war echt.

Gestern begann der Prozess gegen vier Räuber arabisch-türkischer Herkunft, die am 6. März mit einer spektakulären Aktion das internationale Poker-Turnier überfallen hatten. Die Männer zwischen 19 und 21 Jahren waren die Ausführenden, die beiden Hintermänner aus der Familie warten noch auf ihren Prozess.

Die Anklage lautet auf schweren Raub und gefährliche Körperverletzung. Die Täter sollen, so heißt es in der Anklageschrift, in das Hotel eingedrungen sein, um sich eine »fremde bewegliche Sache anzueignen«. Diese fremde bewegliche Sache war Geld, viel Geld. Alle Angeklagten haben die Tat eingestanden, die Frage nach der Beute von 241 000 Euro konnte und wollte das Quartett dem Vorsitzenden Richter nicht beantworten.

Was Vedat, Ahmad, Jihad und Mustafa zum Prozessauftakt dem Gericht erzählten, ist schon haarsträubend und ausgesprochen abenteuerlich. Danach war es keine lang geplante, in allen Details vorbereitete Tat. »Gegen 10 Uhr, ich habe noch geschlafen«, berichtete der 19-jährige Jihad über seinen Anwalt, »klingelte das Telefon.« Man traf sich bei McDonald's am Potsdamer Platz mit »U1« und »U2«, Klarnamen wollte er nicht nennen, obwohl sie der Polizei längst bekannt sind. Dabei erklärte ihnen U1, dass man jetzt das Pokerturnier am Potsdamer Platz überfallen wolle. Die Beute würde das Preisgeld von einer Million Euro sein. Man wollte nicht in den Innenraum, sondern den Moment abpassen, da die Wachmänner das Geld vom Hotel zur Spielbank transportieren würden. Späher hatten ausgekundschaftet, dass der Sicherheitsdienst unbewaffnet ist. Gegen 14.10 Uhr kam von einem Mitspieler das Zeichen zum Losschlagen. Nun war es doch nicht die Straße, sondern das Foyer, wo das Geld zu holen sei. Über einen Nebeneingang stürmten sie laut brüllend nach oben und fuchtelten mit Schreckschusspistolen und einer Machete herum. Im Saal brach Panik aus. Von da an ging für die Räuber so ziemlich alles schief, was in solch einem Falle schiefgehen kann.

Zwar konnte Vedat noch die Tasche mit 600 000 Euro aus dem Tresor holen, doch ein Wachmann riss ihm die Beute aus der Hand und nahm ihn in den Schwitzkasten. Jihad und Mustafa rannten in Panik davon, kehrten aber wieder zurück, um ihren Kumpel zu befreien. Zu viert verließen sie das Hotel, rasten über den Potsdamer Platz und flüchteten mit dem bereitstehenden Auto in eine entfernt gelegene Tiefgarage. Dort teilten sie die Restbeute von 241 000 Euro unter sich auf, jeder der vier Beteiligten erhielt 40 000 Euro, den Rest nahm der Boss »U1« an sich. Anschließend flüchteten sie in die Türkei und nach Libanon – vermutlich mit einem Großteil der Beute. Dort erfuhren sie, dass ihre Namen bereits bei der Polizei bekannt sind. Die Vier hatten am Tatort so viele Spuren hinterlassen, dass eine Zuordnung für die Ermittler einfach war. Vedat trug einen auffälligen roten Anorak, das Tatfahrzeug war auf einen der Räuber zugelassen und war bei einem anderen Überfall genutzt worden. Überwachungskameras hatten alle Details im Bild festgehalten. Schließlich gab es Zeugen, die sich die Autonummer des Fluchtfahrzeuges, ein schwarzer Mercedes, notiert hatten und exakte Beschreibungen von den Tätern lieferten. Das Schicksal der Sechserbande war besiegelt.

Als erster stellte sich Vedat der Polizei und verpfiff seine Kumpels. Die anderen drei wurden bei ihrer Rückkehr nach Berlin auf dem Flughafen Tegel verhaftet. Nach 14 Tagen war das Verbrechen restlos aufgeklärt. Während drei Räuber seit März in Untersuchungshaft sitzen, wurde Vedat, der Kronzeuge, wieder freigelassen. Doch vor einigen Tagen wurde er erneut verhaftet, da er im Verdacht steht, mit einem Poker-Räuber vor dem Coup eine Spielhalle ausgeraubt zu haben. Sie haben hoch gepokert, ohne das Spiel zu beherrschen. Im Juli wird das Urteil gesprochen.

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