»Wir sind schon lange keine Einwanderer mehr«
Lamya Kaddor über »Parallelgesellschaften« und Integration, Missverständnisse und innerislamischen Diskurs
»Wir Muslime in Deutschland stehen in der Öffentlichkeit schlecht da«, befindet die deutsche muslimische Religionspädagogin, Islamwissenschaftlerin und Autorin LAMYA KADDOR, Vorsitzende des neu gegründeten Liberal-Islamischen Bund (s. ND v. 12.6.). In ihrem neuen Buch »Muslimisch, weiblich, deutsch!« (C.H. Beck) schildert sie ihren »Weg zu einem zeitgemäßen Islam« und gibt den liberalen, aufgeklärten Muslimen in Deutschland, vor allem den Frauen, eine Stimme. Mit Lamya Kaddor (Jg. 1978) sprach ADELBERT REIF.
ND: Frau Kaddor, über vier Millionen Muslime leben zurzeit in Deutschland. Politik und Gesellschaft stehen den damit verbundenen Problemen weitgehend hilflos gegenüber. Wo sehen Sie die Ursachen dafür?
Kaddor: Das hängt vor allem mit dem mangelnden Verständnis von Einwanderung zusammen. Deutschland versteht sich erst seit kurzem als Einwanderungsland. Davor hatte man die Vorstellung der Gastarbeiter. Sie kommen ins Land, verrichten bestimmte Tätigkeiten und kehren anschließend wieder in ihre Herkunftsländer zurück. Dass genau das nicht passierte, darauf war man nicht vorbereitet. Die Menschen blieben. Sie bekamen Kinder, die hier heimisch wurden und wieder Kinder bekamen. Mittlerweile leben manche Familien hier schon in der vierten Generation. Erst jetzt begreift man, dass es ein Zurück für Menschen, die hier geboren wurden und heimisch sind, nicht gibt.
Ein von der Politik gern benutzter Begriff ist der von der Parallelgesellschaft. S...
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