Wie viel sind 13 Prozent?

Rechtsextremismus in Thüringen rückläufig

  • Uta Heyder, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.
In Thüringen ist der Anteil der Menschen mit rechtsextremen Ansichten im Vergleich zu 2008 von 16 auf 13 Prozent gesunken, der harte Kern Rechtsextremer schrumpfte von sechs auf drei Prozent. Das ist ein Ergebnis des sogenannten Thüringen-Monitors, der gestern für das Jahr 2010 vorgelegt wurde. Für den Thüringen-Monitor werden rund 1000 Thüringer befragt. Die Ergebnisse werten Wissenschaftlern der Universität Jena aus. Politiker der LINKEN warnen davor, im Kampf gegen den Rechtsextremismus nachzulassen.

»Die Ablehnung des Wahlrechts ab 16 Jahre ist Denken von gestern«, sagt die jugendpolitische Sprecherin der LINKEN im Thüringer Landtag, Katharina König, gestern in einer Pressemitteilung. Mit ihrer Ablehnung zeige die CDU ein weiteres Mal, »wie wenig sie an den Belangen der jungen Generation interessiert ist«, so König. Die von Herrn Fiedler, Königs Kollege bei der CDU-Fraktion, kürzlich vorgebrachten Argumente, Jugendliche seien noch nicht reif zu wählen, seien selektiv. Auch Grüne und SPD treten für die Absenkung des Wahlrechtsalters in Thüringen ein.

Dass Jugendliche stärker in kommunalpolitische Entscheidungen einbezogen werden müssen, sieht Martina Renner, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Thüringer LINKEN, als gegeben: »Die Abwanderung von jungen Leuten aus unserem Land hat ja auch was mit politischer Verantwortung zu tun, die wir Jugendlichen mit auf den Weg geben müssen«, sagt sie gegenüber ND.

Misere im ländlichen Raum

Renner spielt dabei auf die seit gestern vorliegenden Ergebnisse des sogenannten Thüringen-Monitors an, eine Studie, die jährlich von der Uni Jena im Auftrag der Landesregierung herausgegeben wird. Sie befasst sich mit Wahrnehmungen Thüringer Bürger zu Demokratie, sozialen Werten, politischem Engagement, aber auch zu rechtsextremen Orientierungen. Der diesjährige Thüringen-Monitor weise »deutlich eine Tendenz auf«, so Renner, »die wir nicht unterschätzen dürfen«. Gemeint ist die latente Gefahr, dass sich rechtsextreme Handlungen ausweiten.

»Wenn auch laut Studie insgesamt die Thüringer, noch im Vergleich zum vergangenen Jahr, weniger rechts denken, was uns sehr freut, gibt es heute aber eine andere Qualität rechtsextremer Handlungen als früher«, so Renner. Die Politikerin verweist darauf, dass sich gerade auf dem Land rechtsextremes Gedankengut immer breiter macht. Auf dem Dorf seien die Menschen für dieses Thema weniger sensibilisiert als in der Stadt.

Mit dem Wegbrechen kultureller und sozialer Infrastrukturen im ländlichen Raum, bekommen die Rechten leichteres Spiel. Wo es keinen Jugendklub mehr gibt, werbe man eben verstärkt in Sportvereinen, im Kleintierzüchterverband oder bei der Freiwilligen Feuerwehr, so die Innenpolitikerin.

Auch LINKE-Fraktionschef Bodo Ramelow bezeichnete den im Thüringen-Monitor verzeichneten Rückgang rechtsextremer Einstellung in der Thüringer Bevölkerung als erfreulich. Er verweist zugleich auf das nach wie vor erschreckend hohe rechtsextreme Einstellungspotenzial mit über 25 Prozent in ländlichen Kreisen, insbesondere im Osten und im Süden Thüringens. Es müsse viel intensiver über die Stärkung einer demokratischen Gegenkultur insbesondere in den ländlichen Regionen Thüringens nachgedacht werden.

»Auch wenn die NPD im vergangenen Jahr die Fünf-Prozent-Hürde landesweit nicht überspringen konnte, sind 13 Prozent ein gefährliches Potenzial, auf dass sich rechtsextreme Parteien und Strukturen stützen können«, so Ramelow. Der Fraktionschef der LINKEN befürwortet in diesem Zusammenhang nochmals die Notwendigkeit der Schaffung eines Landesprogramms gegen Rechtsextremismus.

Nachholbedarf der Parteien

Das sieht auch Peter Metz von der SPD-Fraktion so. »Eines hat sich trotz der positiven Tendenz, die im Thüringen-Monitor deutlich wird, nicht verändert: Rechtsextremes Gedankengut hat nach wie vor viele Andockpunkte in der Mitte der Gesellschaft. Die Thüringer Landesregierung liegt also mit ihrem Landesprogramm für Toleranz – gegen Rechtsextremismus richtig. Es wird derzeit im SPD-geführten Sozialministerium erarbeitet«, sagte er dem ND.

Was die Motivation der Bürger zur demokratischen Mitgestaltung betrifft, ist sich LINKE-Fraktionschef Ramelow sicher, dass die Parteien noch Nachholbedarf haben: »Offenbar reichen die vorhandenen Angebote nicht aus«, erinnert er an die Vorschläge seiner Partei zur direkten Demokratie und Stärkung der Transparenz sowie zur Öffnung der parlamentarischen Entscheidungsabläufe hin zu den Bürgern.

Eine ganz andere Herausforderung sieht der stellvertretende CDU-Fraktionschef, Klaus Zeh, im Ergebnis der Studie zum nach wie vor schwach ausgeprägten Vertrauen der Thüringer in Parlamente und Regierungen: »Die für die parlamentarische Demokratie ausschlaggebenden Meinungsbildungsprozesse mit ihren Kontroversen stoßen nach wie vor auf wenig Verständnis«, so Zeh. Das betrachtet der CDU-Politiker als kritische Anfrage an den Politikbetrieb, wie er sich ihm darstellt, so Pressesprecher Karl-Eckhard Hahn auf ND-Nachfrage.

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