Sparmeister in der Kritik

13 000 demonstrieren in Kiel gegen die Sparpläne der Landesregierung

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit ihrer Meinung, sie sparten an den richtigen Stellen, steht die schwarz-gelbe Regierung von Schleswig-Holstein recht einsam da. Kritiker der Pläne, Fachbereiche an den Universitäten zu schließen, finden sich sogar in der Basis der CDU.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat das Spardiktat, das den von der schwarz-gelben Landesregierung geplanten Haushalt prägt, angesichts eines Schuldenbergs von 25 Milliarden Euro als »alternativlos« deklariert. Im Kieler Landtag gab es am Mittwoch eine knapp fünfstündige Aussprache zum von CDU und FDP geschnürten Sparpaket. Um die Neuverschuldung zu stoppen, sollen jährlich 125 Millionen Euro weniger ausgegeben werden. So wird aus Regierungssicht der in der Landesverfassung verabschiedeten Schuldenbremse bis 2020 genüge getan. Die Grünen haben nachgerechnet und kommen zu einem anderen Ergebnis: Die Sparbemühungen reichen bei Weitem noch nicht!

Gemeinsam monieren die Oppositionsvertreter, dass Union und Liberale sich bisher einer Einnahmenverbesserung verweigern, sieht man von der geplanten Küstenschutzabgabe sowie einzelnen Stimmen ab, die sich eine Erhöhung der Grundsteuer vorstellen können. Vor allem wollen Carstensen und der Fraktionsvorsitzende der FDP im Landtag, Wolfgang Kubicki, im sozialen Bereich, in der Bildung und durch die Privatisierung des Universitätsklinikums (UKSH) in Kiel und Lübeck sparen.

Dagegen formierte sich gestern Protest. Rund 13 000 Menschen kamen nach Angaben der Polizei zu einer Demonstration in Kiel, zu der die Universitäten des Landes, das UKSH und die Gewerkschaft ver.di aufgerufen hatten. Auch in den Reihen der Regierungsparteien kämpft manch einer mit seinem sozialen Gewissen. Die CDU-Parteibasis in Flensburg verurteilt beispielsweise die Absicht, Fachbereiche der dortigen Universität zu schließen. Daher finanzierte sie zwei Busse, mit denen Studierende zur Demonstration nach Kiel fuhren. In Lübeck lassen selbst CDU und FDP kein gutes Haar an der Entscheidung ihrer Landesregierung, die dortige medizinische Fakultät abzuwickeln.

Prominente Unterstützung erfahren die Kritiker, die infolge dieser Pläne um den Fortbestand von 15 000 Arbeitsplätzen und 600 in der Medizintechnik angesiedelten Unternehmen im nördlichsten Bundesland fürchten, inzwischen durch Stimmen aus der Bundespolitik. Vielfach werden Carstensen und Co. darauf hingewiesen, dass der Folgeschaden einer Schließung der Medizinstudiengänge viel höher sei als der Einspareffekt von 24 Millionen Euro.

Carstensen, Kubicki und Schleswig-Holsteins Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU) wurden daher Anfang der Woche von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) in Berlin empfangen. Diese ist erbost über die Nordlichter, die sich von dem im Hochschulpakt vereinbarten Ziel, mehr Studienplätze schaffen zu wollen, mit Hinweis auf die Haushaltslage verabschieden bzw. diese Aufgabe allein der Kieler Universität aufbürden wollen. Auch gehört Schleswig-Holstein neben Hessen zu den Bundesländern, die auf Bundesebene ein Aufstocken der Bildungsinvestitionen auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts blockieren.

Heute tagt der Landtag wieder, die Proteste gehen weiter. Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften haben ein Aktionsbündnis gebildet und demonstrieren unter dem Motto »Soziale Arbeit in Not«. Im Aufruf heißt es: »Es geht nicht um Zahlen sondern um Menschen.«

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