Betriebsrat vor Gericht
Kündigung nichtig
Die Beschäftigung gilt bis die strittige Sache rechtskräftig abgeschlossen ist. Soll heißen: Auch wenn jetzt durch mehrere Instanzen geklagt wird, hat Albrecht ein Arbeitsverhältnis. Denn wer einem Betriebsrat fristlos kündigt, muss dafür sehr gute Gründe haben. Und die konnte Richterin Margot Weber bei der gestrigen Verhandlung am Arbeitsgericht Stuttgart nicht erkennen.
Erleichterung bei Günther Albrecht: »Dann melde ich mich morgen früh auf der Arbeit.« Albrecht hatte im Oktober 2009 vor laufender Fernsehkamera gesagt, dass die Firma Probleme mit der jüngsten Lohnzahlung gehabt habe. Schon am folgenden Tag wurde ihm deswegen fristlos gekündigt. Das Unternehmen forderte sogar Schadensersatz. Denn aufgrund des Fernsehberichtes hätte man gewaltigen Aufwand betreiben müssen, um Kunden, Lieferanten und Banken zu beruhigen. Albrecht klagte gegen die Kündigung.
In der Verhandlung rief Albrechts Rechtsanwalt Hans-Dieter Wohlfarth die Situation in Erinnerung: Die Wirtschaftskrise war auf dem Höhepunkt. Bei Dietz-Motoren waren die Auftragszahlen um 30 Prozent zurückgegangen, von der Geschäftsführung kamen Sparvorschläge zum Betriebsrat, die vom Aussetzen des Urlaubsgeldes bis hin zu betriebsbedingten Kündigungen reichten. Sein Mandant habe sich vor der Kamera klar als Betriebsrat geäußert. Zudem müsse man an Artikel fünf des Grundgesetzes denken – also an das Recht, seine Meinung frei äußern zu dürfen.
Otto Weimer, Anwalt des Dietz-Geschäftsführers Bernd Strauß, sah dies anders. Albrecht habe keine Meinung geäußert, sondern eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, die zudem falsch gewesen sei. Den Einigungsvorschlag der Richterin – Weiterbeschäftigung und Abmahnung an den Arbeitnehmer (nicht an den Betriebsrat) Albrecht – lehnte Weimer ab: »Das Tuch ist zerschnitten.« Albrecht und Wohlfahrth dagegen hätten den Vorschlag angenommen.
Dass das Urteil nicht allzu weit vom Einigungsvorschlag abweichen würde, überraschte nicht. Zwar halte man die Äußerung von Albrecht vor der Kamera für »nicht klug«, so Weber. Aber für die außerordentliche Kündigung eines Betriebsrates müssten »sehr strenge Maßstäbe angelegt werden«. Die Klage von Dietz-Motoren auf Schadenersatz lehnte Weber ab. Sie hatte bezweifelt, dass die Firma darlegen könne, welchen Schaden sie durch die Äußerung und welchen sie durch die Kündigung und dem dadurch ausgelösten öffentlichen Interesse erlitten habe.
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