Kassiererin bleibt engagiert

Emmely sitzt seit Dienstag wieder an der Kasse und will anderen Betroffenen Mut machen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Knapp zwei Wochen nach ihrem Sieg vor dem Bundesarbeitsgericht und fast zweieinhalb Jahre nach ihrer fristlosen Kündigung durch die Einzelhandelskette Kaiser's Tengelmann ist die unter dem Namen Emmely bundesweit bekannt gewordene Berliner Kassiererin Barbara E. in den beruflichen Alltag zurückgekehrt. Seit Dienstag arbeitet sie in der Filiale am Prerower Platz im Berliner Stadtteil Hohenschönhausen.

Kassiererin Emmely hatte sich durch alle Arbeitsgerichtsinstanzen hindurch gegen eine Kündigung wegen einer Abrechnung herrenloser Pfandbons im Wert von 1,30 Euro zu ihren Gunsten gewehrt. Um nicht weiter »Öl ins Feuer zu gießen«, hatte sie den Wunsch geäußert, nicht mehr in ihrem früheren Betrieb, sondern in einer anderen Filiale möglichst nah an ihrer Wohnung weiterbeschäftigt zu werden. Damit hat sie sich nun durchgesetzt. Sie bekommt auf jeden Fall den Lohn für die letzten zweieinhalb Jahre nachbezahlt und hat auch Anspruch auf eine Betriebsrente.

Der Fall Emmely hatte bundesweit für Proteste und Aufsehen gesorgt. Einen derartigen Ansturm und ein so starkes Medieninteresse hatte das Erfurter Bundesarbeitsgericht wohl selten erlebt. Außergewöhnlich waren auch die Sicherheitsmaßnahmen am Prozesstag.

Das starke bundesweite und internationale Echo hat Emmely und auch viele Akteure im Solidaritätskomitee beflügelt. Der Sieg in Erfurt hat viele überrascht, die nach der Niederlage in der zweiten Instanz nicht mehr an einen Erfolg geglaubt hatten. »Jeder will nun auf der Siegerseite stehen«, kommentierte Jörg Nowak vom Solidaritätskomitee die breite Welle der Sympathie aus Parteien, Gewerkschaften und Medien.

Dass die 52-Jährige jetzt als Vorbild für viele unbekannte »Emmelys« dient, die unter dem alltäglichen Arbeitsunrecht leiden, liegt vor allem im Zusammenspiel von drei Faktoren: Zum einen die Kassiererin selbst, die nicht aufgab, den aufreibenden Nervenkrieg »überlebte« und bereit war, sich in der Öffentlichkeit bis hin zu TV-Talkshows zu »outen«. Zum anderen ein Solidaritätskomitee mit selbstlosen Akteuren, die für die öffentliche Begleitung weit über die Bundesrepublik hinaus und die moralische Rückendeckung sorgten, auf die es in langen Kämpfen ankommt. Schließlich ein pfiffiger Anwalt in der Person von Benedikt Hopmann, der beharrlich auf den Sieg in Erfurt hinarbeitete.

Die zuständige Berliner ver.di- Fachbereichsleiterin Erika Ritter hatte sich im Sommer 2009 im Berliner »Tagesspiegel« kritisch zur Öffentlichkeitsarbeit des Solidaritätskomitees geäußert und erklärt, Emmely werde »für politische Ziele benutzt«. Ritter hatte Emmely nach der ersten Niederlage vor Gericht empfohlen, sie solle das Angebot einer Abfindung von Kaiser's Tengelmann annehmen. Andere ver.di-Instanzen und Ebenen waren nach Aussagen aus Emmelys Umfeld weniger zurückhaltend und engagierten sich über alle Höhen und Tiefen für die gefeuerte Kassiererin.

Ob Kaiser's Tengelmann nun Fairness an den Tag legt und Emmely in Ruhe arbeiten lässt, bleibt abzuwarten. Das öffentliche Rampenlicht könnte ihr dabei zugute- kommen und sie tendenziell vor Willkür schützen. Schließlich war die mediale Begleitung des Rechtsstreits für die Einzelhandelskette nicht umsatz- und imagefördernd. So fanden schon 2008 erste Meldungen in Rundfunk und Presse unerwartet viel Echo in Form von Anrufen oder Online-Kommentaren. Die bei Millionen Menschen angestaute Unzufriedenheit fand hier ein Ventil und steigerte das mediale Echo. So haben die Kaiser's-Manager offensichtlich die Wirkung ihres Handelns unterschätzt.

Emmely ist in diesen zweieinhalb Jahren in eine neue Rolle hinein- und über sich selbst hinausgewachsen. Sie bestätigte auf ND-Anfrage, dass sie weiter engagiert bleiben und anderen Betroffenen Mut machen will. Ihre Erfahrungen sollen bis Jahresende in einem Buch dokumentiert werden. Die Botschaft ist klar: Sich wehren lohnt sich. »In Zukunft wird sich ein Arbeitgeber dreimal überlegen, ob er eine unbescholtenen Verkäuferin oder Kassiererin wegen des Verzehrs von einem Bienenstich oder von vier Maultaschen kündigt«, so Hopmann.

Nach wie vor lassen sich die allermeisten Betroffenen eine Arbeitnehmerkündigung widerspruchslos gefallen. Nur etwa zwölf Prozent setzen sich überhaupt zur Wehr, so das DGB-nahe WSI-Institut. Die meisten Kündigungsschutzklagen enden nicht mit einer Rückkehr an den alten Arbeitsplatz, sondern mit einer Abfindung. Wer nicht klagt, hat nur eine sehr geringe Chance auf Abfindung.

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