Herumdoktern in Kiel
Schleswig-Holstein Regierung versucht, Wissenschaftler und Studenten zu besänftigen
In einer Landtagsfragestunde betonte Schleswig-Holsteins Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU), dass die Entscheidung der schwarz-gelben Landesregierung in Kiel, den Medizinbereich der Uni Lübeck zu schließen, aus rein fiskalischen Gesichtspunkten erfolgt sei und nicht aus fachlichen. Man wolle zwar die Vorgabe des Hochschulpaktes zwischen Bund und Ländern einhalten, wonach die Zahl der Studienplätze zu erhöhen ist. Doch etwa die medizinischen Studiengänge sollen reduziert und womöglich anders strukturiert werden.
Das Beispiel Bremen
Schleswig-Holstein laut de Jager seine seine Quote nun dadurch erfüllen, dass mehr Studierende an Fachhochschulen zugelassen werden. Das »Auslagern« und »Tauschen« von Studienplätzen in andere Bundesländer sei im Übrigen keine Idee, auf die nun erstmals Schleswig-Holstein komme. De Jager verwies darauf, dass das rot-grün regierte Bremen dies zuerst initiiert habe.
Mit seiner Spar- und Kürzungspolitik schiebt Schleswig-Holstein bundesweit auch das Thema einer neuen Lösung für die Finanzierung und Bereitstellung medizinischer Studienplätze an. Diese Debatte sei laut de Jager auch im Interesse Baden-Württembergs. Ein Medizin-Studienplatz schlage pro Semester mit rund 50 000 Euro zu Buche, für einen Fachhochschulplatz berechne man 7000 bis 8000 Euro. Am Erhalt der medizinischen Fakultät in Lübeck hat jedoch auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) Interesse bekundet. Wohl deshalb sieht die Landesregierung in Kiel den Ball nun bei der Bundesebene. Von dort erhofft man sich neue Lösungsvorschläge. Demnach soll eine Überlegung sein, die Lübecker Fakultät zu einer Forschungseinrichtung zu erklären, die dem Forschungszentrum Borstel (Kreis Segeberg) zugeordnet wird. Dies solle dann von der Leibniz-Forschungsgemeinschaft zur Helmholtz Gemeinschaft wechseln, die zu 90 Prozent vom Bund finanziert wird. Darüber könne man angeblich eine Mitfinanzierung der Mediziner-Ausbildung in Lübeck sichern.
Zugleich sieht Kiel die Beteiligten der Stadt Lübeck am Zug. Alternativen Sparvorschlägen in gleicher Größenordnung von 24 Millionen Euro werde man sich nicht verschließen, heißt es von den Fraktionen der CDU und FDP auf Landesebene.
Kein Kontakt
Wie bereits bei der Erstellung der Streichungsliste hat bisher aber niemand aus dem Wissenschaftsministerium Kontakt mit der Leibniz-Organisation aufgenommen. Diese lehnt die Verschiebung von Zuständigkeiten im schleswig-holsteinischen Fall ab. Ein Sprecher sagte, dass dies zwar in je einem Fall in Sachsen und Berlin vollzogen wurde, doch habe es dort in erster Linie inhaltliche Gründe dafür gegeben. Man könne nur davor warnen, Exzellenz, für die die Leibniz-Forschungsgemeinschaft vorrangig stehe, mit Großforschung zu verwechseln oder zu mischen. Solche Umsortierungen seien lediglich ein Herumdoktern an Symptomen. Im Kieler Wissenschaftsministerium geht man unterdessen davon aus, dass man das Exzellenzcluster für Entzündungsforschung gegebenenfalls ohne den Standort Lübeck sichern könne.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.