Widerstand gegen Rentenreform

Frankreich: Aktions- und Streiktag soll Kampfbereitschaft beweisen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute protestieren in Frankreich Gewerkschaften, Opposition, Arbeiter und Angestellte gemeinsam gegen den von Präsident Nicolas Sarkozy vorgestellten Rentenreformentwurf. Größter Streitpunkt ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters.

Ein weiterer Nationaler Streik- und Aktionstag am heutigen Donnerstag soll die Entschlossenheit zur Abwehr der Rentenreformpläne der Rechtsregierung unter Beweis stellen. Es wird damit gerechnet, dass landesweit über eine Million Menschen an den Demonstrationen in Paris und Dutzenden weiteren Städten teilnehmen und damit weit mehr als bei den bisher drei derartigen Aktionstagen seit Beginn des Jahres.

Erneut und entschlossener denn je geht es um die Abwehr der Rentenreformpläne der Rechtsregierung. Deren Eckpunkte hat Arbeitsminister Eric Woerth vor einer Woche bekannt gegeben. Vor allem geht es um die Anhebung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre, die von den linken Oppositionsparteien und fast allen Gewerkschaften strikt abgelehnt wird und gegen die sich bei Umfragen zwei Drittel der Franzosen ausgesprochen haben.

Sie alle sind davon überzeugt, dass es andere Möglichkeiten gibt, das Defizit der Rentenkassen aufzufüllen. Vor allem gelte es, endlich entschlossen Spitzeneinkommen, Kapital und Spekulationsgewinne zu besteuern sowie Steuernischen und Schlupflöcher zu stopfen, durch die viele Unternehmen und Konzerne ihre im Land angehäuften Profite vor dem französischen Fiskus in Sicherheit bringen.

Wohl um die Kampfbereitschaft der Gewerkschaften zu unterminieren, haben der sozialpolitische Präsidentenberater im Elyséepalast und die mit der Rentenreform befassten Minister in den vergangenen Tagen den Medien gegenüber durchblicken lassen, noch seien die Würfel nicht gefallen und es könnte noch »nachgebessert« werden. Zwar sei das Rentenalter von 62 Jahren – das »rote Tuch« für die Gewerkschaften – nicht verhandelbar. Denkbar wären aber wohl Ausnahmereglungen für Arbeitnehmer, die schon sehr früh zu arbeiten begonnen und für solche, die körperlich sehr schwere und gesundheitsschädliche Berufe ausgeübt haben. Darüber könnte man mit den Sozialpartnern weiter verhandeln.

Tatsächlich wurde es als besonders ungerecht empfunden, wie diese beiden Punkte in der Reform behandelt werden. Während das auf 62 Jahre angehobene Rentenalter den effektiven Arbeits- und Beitragsjahren der meisten Angestellten und Hochschulabsolventen entspricht, haben Arbeiter und Handwerker, die oft schon vor dem 18. Lebensjahr ins Berufsleben eingestiegen sind, meist schon vor dem 60. Lebensjahr ihre geforderten 40,5 Beitragsjahre für die Rentenversicherung zusammen. Trotzdem sollen sie noch jahrelang weiterarbeiten, ehe sie in den Genuss der Rente kommen. Dass dies extrem ungerecht ist, beginnt man jetzt auch im Regierungslager einzusehen, und so könnte es hier eine stufenweise Anpassung der Bedingungen geben.

Was die »pénibilité«, also die verschleißfördernden Arbeitsbedingungen in bestimmten Berufen betrifft, so gehen die Standpunkte noch weiter auseinander. Während die Gewerkschaften fordern, komplette Berufe so einzustufen, damit die dort Beschäftigten eher in Rente gehen können, besteht die Regierung auf einer »Einzelfallprüfung«. Nach dem jetzigen Reformentwurf ist vorgesehen, dass ein vereidigter Arbeitsmediziner den Gesundheitszustand jedes einzelnen älteren Arbeitnehmers prüft und dass diejenigen, bei denen eine mindestens zwanzigprozentige Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird, vorzeitig mit 60 Jahren in Rente gehen können – selbst wenn sie noch nicht alle Beitragsjahre zusammen haben. »Hier wird bewusst vorzeitiger Verschleiß und Invalidität vermischt, um die Öffentlichkeit zu täuschen und die Reform hinter diesem Nebelvorhang durchzuziehen«, empört sich ein Gewerkschaftssprecher.

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