Eckpunkte für Sicherungsverwahrung im Kabinett

Debatte um Einsatz elektronischer Fußfesseln / Justizminister-Tagung in Hamburg begann

  • Lesedauer: 2 Min.
Die Sicherungsverwahrung von Straftätern soll eingeschränkt werden. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch Eckpunkte eines Gesetzentwurfes. Zugleich wollte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der in Hamburg tagenden Justizministerkonferenz Regelungen für elektronische Fußfesseln vorlegen.

Berlin (epd/ND). Nach einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« soll die Unterbringung im Gewahrsam nach der eigentlichen Haftzeit nur noch bei schweren, gemeingefährlichen Straftaten verhängt werden können. Bislang kann sie in jedem Fall auferlegt werden. Die Eckpunkte sehen zudem vor, die nachträgliche Sicherungsverwahrung abzuschaffen. Sie konnte erst am Ende einer Haftstrafe richterlich angeordnet werden. »Weg von der nachträglichen (Sicherungsverwahrung), hin wieder zum Tatrichter und einer viel früheren Entscheidung«, sagte Leutheusser-Schnarrenberger im Deutschlandradio Kultur. Das deutsche Strafrecht kenne nicht das lebenslängliche Wegsperren, »aber wir müssen uns ja verantwortungsbewusst damit befassen, was wir mit wirklich sehr, sehr gefährlichen Tätern machen«. Die Regierung reagiert mit den Eckpunkten auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte von Dezember vergangenen Jahres und setzt ein Vorhaben ihres Koalitionsvertrags um. Der Europäische Gerichtshof in Straßburg hatte die deutschen Vorschriften zur Sicherungsverwahrung als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention gewertet.

Nach dem Urteil müssten etwa 70 bis 80 Häftlinge möglicherweise aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Damit könne es zu »ganz schwierigen Situationen« kommen. Technisch sei es möglich, dass die elektronische Überwachung Alarm bei zuständigen Polizeibeamten auslöse, wenn sich »so ein gefährlicher Mensch« einem Kindergarten oder einer Schule nähere.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte davor, mit elektronischen Fußfesseln die Bevölkerung in Sicherheit zu wiegen. Ein Sender könne nicht den Kontakt des Überwachten mit einem Kind erkennen, sagte der stellvertretende GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut. In einer Großstadt sei es außerdem kaum möglich, einen längeren Weg zurückzulegen, ohne an einer Schule, einem Kindergarten oder Spielplatz vorbeizukommen.

Auch Grüne und LINKE reagierten ablehnend. Damit sei die FDP vor populistischen Forderungen der Union eingeknickt, kritisierte der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag. Weder seien die Reichweite der Kontrolle noch die Sanktionen bei Verstößen gegen die Auflagen geklärt. Die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak nannte die elektronische Fußfessel rechtsstaatlich bedenklich. Es gehe dabei um eine Totalüberwachung des Straftäters. Mit dem Schutz der Menschenwürde sei dies kaum vereinbar.

Die Justizminister von Bund und Ländern begannen am Mittwoch in Hamburg zweitägige Beratungen über Fahrverbote als Hauptstrafe, elektronische Fußfesseln und die Sicherungsverwahrung.

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