Qualitätskontrollen für Kitas
Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) will auf die Ergebnisse des Schulvergleiches reagieren
Den Berliner Schülern wurde gestern ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Sie belegen beim jüngsten Ländervergleich im Unterrichtsfach Deutsch wieder einmal die unteren Plätze. Laut Untersuchung des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hinken die Neuntklässler besonders den meist leistungsstärkeren Gleichaltrigen aus Süddeutschland hinterher. Das IQB verweist in diesem Zusammenhang auch auf den hohen Anteil der Migranten vor allem türkischer Herkunft in Berlin. Sie haben immense Probleme in den Bereichen Lesen und Textverständnis.
Doch die Studie belegt auch, dass die Berliner Bildungs- und Schulpolitik durchaus einige Erfolge vorweisen kann. So belegen die Schüler aus der Hauptstadt im Unterrichtsfach Englisch immerhin einen Mittelplatz und in Französisch, das als erste Fremdsprache jedoch nicht zwischen allen Bundesländern verglichen werden konnte, eine Spitzenposition.
Zudem ist die soziale Durchlässigkeit im Schulsystem in Berlin am niedrigsten. Die Chancen für Kinder aus der Oberschicht ein Gymnasium zu besuchen, sind in der Hauptstadt 1,7 mal höher als für Arbeiterkinder. Im Bundesdurchschnitt ist deren Chance auch bei gleicher Intelligenz sowie gleichem Lernvermögen 4,5 mal so groß.
Die Negierung sozialer Unterschiede im Bildungssystem ist eines der wichtigsten bildungspolitischen Ziele der Berliner LINKEN. Deshalb wird von ihr die Einführung von Gemeinschaftsschulen forciert. Dort sollen die Schüler nach skandinavischem Vorbild gemeinsam lernen und individuell gefördert werden. Die Einführung der Gemeinschaftsschule ist im Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten vereinbart. Zunächst wird diese Schulform im Pilotprojekt bis 2013 erprobt. Ob sie sich durchsetzt, ist fraglich. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) ist jedenfalls kein großer Verfechter der Gemeinschaftsschulen.
Seine bildungspolitischen Maßnahmen der letzten Jahre seien richtig gewesen, beteuerte Zöllner gestern. Es bräuchte lediglich etwas Zeit, bis sie in den Statistiken sichtbar würden. »Die integrierte Sekundarschule ermöglicht allen Schülern den gemeinsamen Zugang zu möglichst hohen Bildungsabschlüssen«, erklärte der Bildungssenator. Die Sekundarschule ersetzt im neuen Schuljahr Haupt-, Real- sowie Gesamtschulen.
Forderungen nach mehr Personal in den Bildungseinrichtungen wies Zöllner als »zu einfach« zurück. Lehrkräfte und Erzieher müssten vielmehr effektiv eingesetzt werden. Eine Ursache für das in einigen Bereichen sehr schwache Abschneiden der Berliner Schüler läge darin, dass es im Land zum einen sehr viele exzellente aber demgegenüber auch viele Schulen mit großen Problemen gebe. Diese würden teilweise einfach schlecht geführt, mutmaßte der Bildungssenator.
Das Land Berlin stünde derzeit in der Bildungspolitik vor großen Herausforderungen. Nach der Sommerpause will Zöllner deswegen ein »Qualitätspaket« für Schulen und Kitas vorstellen. Hierzu sagte er jedoch wenig Konkretes: Das Qualitätsmanagement an Schulen müsse verbessert und verbindliche Konsequenzen aus Schulinspektionen gezogen werden.
Den Kitas, die schrittweise beitragsfrei werden sollen, kommt in Zöllners Bildungskonzept eine zentrale Rolle zu. Mit PISA-Forschern stimmt er überein, dass Kinder aus sogenannten bildungsfernen Haushalten durch intensive Frühförderung den Anschluss schaffen können. »Unterschiedliche Entwicklungsansätze müssen in der Anfangsphase durch Ganztagesangebote und individuelle Förderungen abgefedert werden«, sagte der Bildungssenator. Dabei werden nicht nur Kinder aus Migrantenfamilien unterstützt. »Auch viele Kinder aus deutschsprachigen Haushalten haben erhebliche sprachliche Defizite«, so Zöllner.
Wenn die Förderung nicht wie gewünscht funktioniert, will der Bildungssenator Qualitätskontrollen in den Kitas durchführen lassen, bei denen überprüft wird, inwieweit die Kinder sprachliche Fortschritte machen.
Berliner Schüler im Schulleistungsvergleich der 9. Klassen
- Im Fach Deutsch landen die Berliner Schüler beim Leseverständnis und Hörverstehen auf dem vorletzten (15.) Platz.
- Bei der Rechtschreibung sind die Berliner 13.
- Im Fach Englisch nehmen die Berliner Schüler bei Hörverstehen und Leseverstehen den 8. bzw. 9. Platz ein.
- Berlin verzeichnet mit 31 Prozent die meisten Kinder aus Zuwandererfamilien in den 9. Klassen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.