Anzeige nach Steinwürfen auf jüdische Tanzgruppe
Antisemitischer Angriff in Hannover: Tatverdächtige zwischen 9 und 19 Jahren alt
Eigentlich ist es eine absurde Vorstellung, dass gegen Kinder wegen Volksverhetzung ermittelt wird. Aber ein Ereignis wie das am vorigen Wochenende in Hannover lässt keine andere Wahl. Nachdem eine Tanzgruppe der Liberalen Jüdischen Gemeinde bei einem Stadtfest mit antisemitischen Sprüchen beleidigt und mit Steinen beworfen wurde, erstattete Ingrid Wettberg, die Vorsitzende der Gemeinde, Anzeige wegen Volksverhetzung und Körperverletzung.
Die Polizei hat inzwischen sechs Tatverdächtige ermittelt, die an dem antisemitischen Übergriff beteiligt gewesen sein sollen. Es handelt sich um arabischstämmige Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 19 Jahren. Ein aus Irak stammender 16-Jähriger sei der Polizei bereits wegen Sachbeschädigungen und Körperverletzungen bekannt.
Wie Andreas Möser, der Sprecher der Stadt Hannover, im »Deutschlandradio« berichtete, habe sich die Stimmung auf dem zunächst friedlichen Fest im Stadtteil Sahlkamp geändert, als »israelische Tänze« angekündigt wurden. Mehrere Jugendliche hätten »angefangen zu pöbeln« und seien daraufhin vom Veranstalter zur Rede gestellt worden. Andere hätten begonnen, größere Kieselsteine zu werfen. Schließlich hätten rund ein Dutzend Jugendliche »Juden raus« skandiert, auch über ein Megaphon. Eine Tänzerin wurde mit einem Stein am Bein getroffen und leicht verletzt.
Sozialarbeiter hätten zunächst versucht, persönlich auf die Jugendlichen einzuwirken und nicht gleich die Polizei gerufen. Die Stadt stellte erst zwei Tage nach dem Geschehen Strafanzeige. Dies sei ein Fehler gewesen, sagte Möser im Nachhinein.
Viele Politiker und Vertreter jüdischer Verbände verurteilten das Geschehen. Levi Salomon, der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde in Berlin, sagte, der Übergriff könne möglicherweise mit der verstärkten judenfeindlichen Propaganda nach dem israelischen Militäreinsatz gegen die Gaza-Flotte zu tun haben. Dass antisemitische Vorurteile unter Jugendlichen unter anderem in dem als »sozialer Brennpunkt« geltenden Stadtteil Sahlkamp ohnehin weit verbreitet sind, belegte Wolfram Stender, Professor für Soziologie an der Fachhochschule Hannover, in einer Studie. »Es überrascht mich nicht sehr, was da geschehen ist«, zitiert ihn die »Hannoversche Allgemeine«.
Die Mitglieder der Tanzgruppe »Chaverim«, aus der Sowjetunion emigrierte Juden, seien nach wie vor »sehr verängstigt«, sagte Ingrid Wettberg im Radio. Man wolle zwar auch in Zukunft »rausgehen« und sich nicht zurückziehen. »Aber dann mit größerer Vorsicht.«
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