Deutsch-dänische Verstimmung?

Anke Spoorendonk sieht die gewachsene Minderheitenpolitik in Gefahr / Spoorendonk ist Fraktionsvorsitzende des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) im Kieler Landtag

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Seitdem die schleswig-holsteinische Landesregierung plant, die Fördergelder für die dänischen Schulen im Vergleich zu den deutschen Bildungseinrichtungen um 15 Prozent abzusenken, herrscht Unfrieden in der südschleswigschen Region in Grenznähe. Längst haben die Pläne zu diplomatischen Verwicklungen auf höchster Ebene geführt. Nun streicht die Bundesregierung auch der deutschen Minderheit in Dänemark 1,5 Millionen Euro. Haben die Verantwortlichen in Berlin und Kiel den Kompass für Minderheitenpolitik neu justiert oder gar den Kurs ganz aus den Augen verloren?
Spoorendonk: Sie haben ihren Kompass weggeworfen. Wir sehen einen Paradigmenwechsel zum Schlechten hin. Minderheitenpolitik findet offenbar nur noch an Sonntagen bei schönem Wetter oder bei guter Konjunktur statt.

Der Kieler Vorstoß hat für Irritationen auf höchster Ebene gesorgt und zu einem angespannten Verhältnis der deutsch-dänischen Beziehungen geführt. War den Regierenden um Ministerpräsident Peter Harry Carstensen nicht die Tragweite ihres Vorgehens bewusst?
Es sieht so aus, als hätte die Koalition wirklich nur mit dem Taschenrechner gedacht. In den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 hat man vereinbart, die Minderheiten-Balance auch im finanziellen Bereich zu wahren. Genau dies wird erschüttert. Im dänischen Parlament ist man darüber in allen Fraktionen tief beunruhigt, die beiden Botschaften sind bereits dazu konsultiert, und es hat ein Gespräch zwischen der dänischen Außenministerin und ihrem Kollegen Guido Westerwelle gegeben. Bleibt die ungerechte Kieler Kürzungsansage, droht ein irreparabler Schaden.

Auch die deutsche Minderheit ist beunruhigt, weil ihre Zuschüsse seitens der Bundesregierung gestrichen werden. Sprengstoff befindet sich also auf beiden Seiten der Grenze.
Das Signal der Bundesregierung ist katastrophal. Es kann nicht sein, dass dort Sonderopfer geleistet werden sollen, zumal Dänemark ohnehin schon den Löwenanteil für beide Minderheiten zahlt.

Die Eltern von Kindern an den betroffenen dänischen Schulen fühlen sich diskriminiert und sehen nicht ein, warum ihre Kinder nur 85 Prozent wert sein sollen im Vergleich zu Kindern an den deutschen Regelschulen. Die Mittelstreichung hat aber noch weiter reichende Folgen – es wird ja quasi das Herz der Minderheit getroffen.
Die Einsparung von 4,7 Millionen Euro jährlich würde die Schließung von bis zu 20 Schulen bedeuten. Die 47 Schulen und 55 Kindergärten mit den rund 7650 Kindern sind unser Lebensnerv, auch weil sich dort nachmittags und abends das Vereinsleben für Kinder und Erwachsene abspielt. Die Landesregierung folgt aber dem Landesrechnungshof, der die Schulen rein buchhalterisch bewertet und nicht akzeptieren will, dass man Minderheitenschulen natürlich nicht 1:1 mit öffentlichen Schulen vergleichen kann.

Wie geht der SSW, wie geht die Minderheit nun mit dem Szenario um?
Alle in der Minderheit sind schockiert und wütend. Am heutigen Sonnabend gibt es einen Aktionstag in Flensburg, Schleswig, Eckernförde, Süderbrarup, Husum, Leck und Westerland. Das ist aber nur der Auftakt. Wir werden unseren Protest in die Öffentlichkeit tragen, um die Solidarität der Mehrheitsbevölkerung werben und den Dialog mit der Regierung suchen. Keiner wird locker lassen, bevor der Fehler korrigiert ist.

Fragen: Dieter Hanisch

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