Mindestziel ist Neuverhandlung
LINKE-Vorsitzender Klaus Lederer zu Wasserbegehren und Informationsfreiheitsgesetz
ND: Heute startet das Volksbegehren »Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« in die zweite Stufe. Die Unterschrift der LINKEN sucht man vergeblich in der Unterstützerliste. Rekommunalisierung und Transparenz sind doch aber auch linke Forderungen?
Lederer: Absolut. Wir haben das Thema Rückübernahme der Berliner Wasserbetriebe (BWB) immer wieder in die Debatte gebracht, als politisches Ziel in die Koalitionsvereinbarung verhandelt. Das Volksbegehren ist zunächst auf die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge gerichtet. Auch das teilen wir. Das Volksbegehren und wir kämpfen mit dem gleichen Ziel – allerdings in unterschiedlichen Funktionen.
An der Basis der Berliner Linkspartei wird das nicht unbedingt so empfunden, dort gibt es viele Irritationen über den Kurs, das Volksbegehren nicht zu unterstützen.
Wir haben das lange diskutiert und dreimal auf Parteitagen entschieden. Der Parteitagsbeschluss ist übrigens zu Ziel und Wegen deutlich konkreter als alles, was derzeit in Berlin sonst diskutiert wird. Dennoch brauchen wir gesellschaftlichen Druck, ganz klar. Der Wassertisch kann als unabhängige Initiative Maximalforderungen erheben. Wir können das aufgreifen, müssen es aber in eine rechtssichere Form bringen, wenn es greifen soll. Deshalb sage ich: Wir spielen in unterschiedlichen Rollen, aber auf das gleiche Tor.
Sie spielen auf die Novellierung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) an, das am Donnerstag im Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll. Sie geht dem Wassertisch nicht weit genug, deshalb die Fortsetzung des Volksbegehrens. Wo ist der Zusammenhang von IFG und Wasserverträgen?
Das schwarz-rote Berlin hat damals Vertraulichkeit vereinbart. Es ist nicht so ganz einfach, eine solche beidseitige Vereinbarung aufzukündigen. Mit der Änderung des IFG wollen LINKE, Grüne und SPD jetzt für die Zukunft solche pauschalen Verabredungen bei Infrastrukturverträgen verbieten. Nur rückwirkend wird das komplizierter, denn die Privaten können sich auf eine Vertrauensschutzposition berufen. Aber ich sage ganz offen: am liebsten wäre mir, wenn solche Verträge überhaupt nicht abgeschlossen worden wären oder würden.
Das klingt gut, aber an der desaströsen Wasserprivatisierung ändert das doch nichts.
Stimmt. Auch das Volksbegehren nicht. Derartige Fehlleistungen kann man nicht mal so aus der Welt schaffen. Fakt ist, dass der Senat solche Verträge nicht mehr abschließen darf, wenn das novellierte Informationsfreiheitsgesetz in Kraft tritt. Für die bereits abgeschlossenen Wasserverträge ist binnen eines halben Jahres zu prüfen, wie weitgehend die Verträge offengelegt werden können, ohne Bundesrecht zu verletzen. Die Privaten müssen darlegen, wo sie meinen, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verletzt werden. Dann muss der Senat darüber entscheiden.
Warum ist die Offenlegung so wichtig? Die Knackpunkte der Teilprivatisierungsverträge wie die garantierte Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals sind doch bekannt. Dafür zahlen die Bürger mit 35 Prozent Preisanstieg seit 2004 die Zeche. Oder gibt es noch mehr, von dem die Öffentlichkeit gar nichts weiß?
Nein, die Grundzüge dieser Verträge sind bekannt. Deshalb kämpfen wir seit Jahren in der rot-roten Koalition darum, den Druck auf die privaten Investoren zu erhöhen. Wir wollen mindestens eine Neuverhandlung der Verträge erreichen. Die zugesicherte Verzinsung des BWB-Kapitals muss fallen. Sie sichert den Privaten eine Dauerrendite aus einem guten Anlagegeschäft – und treibt den Preis hoch.
Es ist doch völlig unverständlich, dass sich die damalige SPD-CDU-Koalition 1999 so über den Tisch hat ziehen lassen.
Der damalige Senat wusste genau, was er tat – deshalb ja die Vertraulichkeit! Es flossen 3,4 Milliarden DM, die hat das Land damals gern genommen. Und natürlich haben die Privaten jetzt die Erwartung, das ist im Kapitalismus so, dass sich das Geschäft von 1999 für sie rentiert.
Diese Position haben Veolia und RWE jüngst hinter den Kulissen bestärkt: Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) konnte dort keine Neuverhandlung durchsetzen.
Die Offenlegung der Verträge lehnen sie ab. Deshalb wird der Mechanismus greifen müssen, den wir im IFG etablieren wollen. Was die Veränderung der Verträge angeht: Es gibt eine Reihe von Konflikten zwischen Privaten und Berlin um die zukünftige Preispolitik der BWB...
Was sind das für Konflikte?
Unter anderem die garantierte Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals. Wie dämpft man den Anstieg dieses Kapitals, um Rendite und Wasserpreise zu drücken? Das Ziel muss in einer vernünftigen Lösung bestehen. Entweder übernimmt das Land die Anteile zurück – wobei ich derzeit nicht sehe, woher wir das Geld nehmen sollen, oder aber man einigt sich auf neue vertragliche Grundlagen, die anstelle hoher Renditen Preisstabilität oder sogar Preissenkung ermöglichen. Das muss im Vordergrund stehen.
Der Berliner Wassertisch fordert in der letzten Konsequenz eine Enteignung der Privaten.
Entschädigungslose Enteignungen kennt das Bundesrecht nicht. Jede Rückübernahme kostet Milliarden. Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Die Privaten haben 1999 nur angenommen, was ihnen eine schwarz-rote Regierung angeboten hat.
Insofern erwarte ich, dass nicht allein die Verantwortung der Privaten diskutiert wird, sondern stärker auch über verfehlte Politik, ihre Urheber und Folgen – und die Alternativen, die die LINKE verfolgt.
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