Blutige Tradition

Waljagd auf den Faröer-Inseln zwischen Folklore und moderner Ablehnung

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Treffen des Internationalen Walfangkomitees (IWC) in Marokko endete ohne Einigung. Damit bleibt also alles beim Alten: Japan jagt »für die Wissenschaft«, Norwegen ignoriert das Fangmoratorium und Kleinwale wie die Grindwale fallen zwar unter die Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tieraten (CMS), doch Dänemark hat für die Färöer-Inseln und für Grönland Ausnahmen durchgesetzt.
Getötete Grindwale in einer Bucht der Faröer Inseln
Getötete Grindwale in einer Bucht der Faröer Inseln

Archäologische Funde zeigen, dass die Jagd auf Grindwale (die zu den Delphinen gehören) auf den nordatlantischen Färöer-Inseln seit über 1000 Jahren betrieben wird. Damals wie heute ändert der Ruf »Grindaboð!« (Walbote!) den Tagesverlauf einer Bygde, wie die kleinen Siedlungen genannt werden, radikal. Alle Männer hasten zum Strand zu den Booten, mit denen sie dann den Tieren den Fluchtweg abschneiden und auf den Strand zutreiben. Hauptsaison für die Jagd sind die Sommermonate, wenn die See verhältnismäßig ruhig ist und die Sonne praktisch nicht untergeht.

Die Jagd ist nur an bestimmten Walbuchten, den »Hvalvágir«, zugelassen. Davon gibt es insgesamt 17 auf der Inselgruppe, doch es ist nicht sicher, dass sich jedes Jahr ein Schwarm in der Nähe zeigt, der an den Strand getrieben werden kann. Wenn die Delphine im flachen Wasser sind, springen die Männer hinein, um die Tiere zu schlachten und mit Haken an Land zu ziehen. Das Wasser der Bucht färbt sich rot vom Blut der Delphine und für Außenstehende ist es ein unappetitliches Schlachthaus unter freiem Himmel, während es für die Färinger ein Festtag ist. Eine einzige solche Jagd – und es ist selten, dass es zwei Gelegenheiten in einer Saison gibt – sichert Fleisch für ein ganzes Jahr.

Walfleisch ist Teil der traditionellen Kost der Färinger und jeder Einheimische, im Prinzip also auch ein Neugeborener, hat Anspruch auf einen Anteil. Falls eine Jagd sehr erfolgreich gewesen ist, werden Fleisch und Speck auch an den Nachbarort abgegeben, um die dortigen Tiefkühltruhen zu füllen. Nur äußerst selten landet ein kleiner Teil des Fanges in einem Geschäft in der Hauptstadt der Faröer-Inseln, Tórshavn, oder in Island und Norwegen. In beiden Ländern gehört Wal ebenfalls zur traditionellen Küche.

Die färöische Waljagd ist nicht kommerziell orientiert und der Jagddruck auch nicht so hoch, dass beispielsweise der Delphinbestand gefährdet wäre. Er wird auf 100 000 bis 130 000 Tiere geschätzt, während in den letzten Jahren immer nur wenige Hundert der Meeressäuger erlegt wurden; 2009 waren es laut offizieller färöischer Statistik 309. Viele Färinger fühlen sich missverstanden und bevormundet; sie bezichtigen Tierschutzorganisationen, ihnen ihre Identität nehmen zu wollen.

Ihrer Meinung nach sind die Meeressäuger eher von Umweltverschmutzung bedroht als von Jagd. Die Gesundheitsbehörden der als »Gleichberechtigte Nation« zu Dänemark (nicht aber zur EU) gehörenden Inselgruppe raten deshalb beispielsweise Schwangeren und Stillenden ab, Walfleisch zu essen. Denn inzwischen ist das Fleisch der meisten Wale durch Umweltgifte wie Quecksilber unter anderem giftige Schwermetalle kontaminiert. Wegen ihrer Unzufriedenheit mit dem Fangmoratorium des IWC schufen sich Norwegen, Island, Grönland und die Färöer-Inseln zum Zwecke des »Managements« der Walbestände im Nordatlantik die Interessenorganisation NAMMCO.


Lexikon: Grindwale

Grindwale (Globicephalinae), auch Pilotwale genannt, werden von Biologen ebenso wie die Schwertwale zu den Delfinen gerechnet. Sie werden 3,5 bis 8,5 Meter lang und sind gut an der kugeligen Kopfform über der sehr kurzen Schnauze zu erkennen. Die Tiere kommen im Nordatlantik, im Mittelmeer und in den gemäßigt kalten Gewässern von den Küsten an der Südspitze Amerikas, Afrikas und Australiens bis zur Antarktis vor. Sie leben gewöhnlich in Gruppen von 10 bis 30 Tieren, sind nachtaktiv und jagen vor allem Tintenfische und Kalmare.

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