Der Tintenklecks des Franken-Königs
Die uralte Fuldaer Urkunde von Pippin III. ist nicht gerade ein Zeugnis von akkurater Kanzleiarbeit
Marburg. Die Jahrhunderte sind Deutschlands ältestem Original einer Königsurkunde anzusehen: Die Tinte ist verblasst, das Pergament leicht gewellt und das Siegel verloren. Deutlich sind aber noch die prächtigen Symbole des Notars zu erkennen – und ein Punkt, mit dem der Vater Kaiser Karls des Großen vor 1250 Jahren seine Urkunde in Kraft gesetzt haben soll. Anno 760 verfügte Franken-König Pippin III. (714-768) darin eine großzügige Schenkung an das Kloster Fulda.
Das wertvolle Stück, das als Vorläufer moderner Urkunden gilt, wird unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen im Hessischen Staatsarchiv in Marburg aufbewahrt. Zum Jubiläum durfte das Dokument am Mittwoch kurz ans Tageslicht. »Das ist das Pergament, das Pippin vermutlich vorgelegen hat«, sagt Archivrat und Urkundenspezialist Francesco Roberg. »Wir gehen davon aus, dass der schriftunkundige König die Urkunde mit einem kleinen Punkt in Kraft setzte.« Beweisen lasse sich dies allerdings nicht. Doch gebe es viele Hinweise darauf, dass Pippin selbst den entscheidenden Tintenklecks setzte. Verfasst wurde das Dokument im heutigen Frankreich. Dort hatte das Geschlecht der Karolinger, dem Pippin angehörte, Herrschaftssitze.
Das Schriftstück hat etwa die Größe eines DIN-A3-Papiers, ist aber schmaler und ohne akkurate Kanten. »Man kann aus einer Tierhaut eben kein DIN-Format herausschneiden», erklärt Roberg. Die Urkunde sei in schlechtem Latein verfasst, die Worte seien ungelenk und mehr gezeichnet als geschrieben. In der unteren Hälfte ist ein Kreuz abgebildet, in dessen Mitte Pippin seinen Punkt gesetzt haben soll. Mit einem Symbol in Form eines Bienenkorbes hat ein Notar schließlich den Rechtsakt beglaubigt.
Die Fuldaer Mönche passten jahrhundertelang gut auf ihre Urkunde auf. Der König hatte dem 744 gegründeten Kloster damit wertvollen Besitz übertragen: das Hofgut Deiningen mit Wäldern, Feldern und sogar Hörigen.
Die Marburger Archivare sorgen mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen für die Erhaltung ihres ältesten Stücks. »Das Schlimmste für das Pergament wären Hitze und schnell aufeinanderfolgende Temperaturschwankungen«, sagt Roberg. Auch Säure oder starkes Sonnenlicht seien Gift. Und so liegt die Urkunde in einem Spezialkarton, der einer Pizzaschachtel ähnlich sieht.
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