Kürzungen bei Jugendarbeit

Freien Einrichtungen in Neukölln flatterten Kündigungen des Bezirks ins Haus

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

»Jetzt müssen wir erst mal besprechen, was wir nun machen«, sagt Christine Skowronska-Koch vom Verein »elele«, der auch den Jugendtreffpunkt »Kiosk« am Reuterplatz in Neukölln betreut. Am Montag flatterte die Kündigung durch das Bezirksamt ins Haus. Danach soll zum 30. September alle Arbeit in der Initiative eingestellt werden.

Hintergrund der Kündigung: Weil das Jugendamt Neukölln laut Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) insgesamt vier Millionen Euro einsparen muss, konnten nun Geldmittel für das vierte Quartal nicht freigegeben werden. Als Folge musste Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) fast allen Jugendeinrichtungen im Bezirk zu diesem Termin kündigen. Zu der Entscheidung sei es laut Buschkowsky gekommen, weil das Jugendamt die Einstellung habe, dass die Ausgabengrenzen für sie nicht gelte. Dabei hätten die anderen Ressorts bereits rund 13 Millionen Euro eingespart. Dagegen das Jugendamt im Laufe des Jahres viel zu wenig.

Viel lieber als bei den Jugendeinrichtungen hätte Buschkowsky bei der sogenannten »Hilfen zur Erziehung« gespart. Familien bekommen danach eine flexible Hilfskraft in Erziehungsfragen zur Seite gestellt. »Es ist doch Quatsch, wenn sie in eine Familie, wo jedes Mitglied zehn Vorstrafen hat, jemand schicken, der für die Familie einkaufen geht in der Hoffnung, damit würde sich etwas verändern«, sagte Buschkowsky gestern am Rande einer Veranstaltung in Neukölln. Die Hilfen zur Erziehung nehmen einen großen Teil des Jugendamtsbudgets ein. Das Dilemma ist nur, dass auf diese Hilfen ein Rechtsanspruch besteht und daher hier nicht so einfach gekürzt werden kann, wie es jetzt bei den freien Trägern versucht wird.

Das Jugendamt habe die geforderten Einsparungen erbracht, sagt hingegen Gabriele Vonnekold. Sie sieht Differenzen in der Berechnung der Zahlungszeiträume als Ursache für das Dilemma. Außerdem habe sie mehrfach versucht, die Angelegenheit mit dem Bezirksamt zu besprechen – ohne Erfolg. Nun habe sie kündigen müssen, weil sie nicht sicher sein konnte, ob sie das Geld für die Verträge bekommt.

»Diese Kündigungen schaffen Sorgen und Unruhe bei vielen KollegInnen und lenken von der Arbeit ab«, sagt Gabi Heinemann von dem Verein »MaDonna Mädchenkult.Ur e.V.« in der Falkstraße. Differenzen im Rathaus würden nun offensichtlich auf dem Rücken der freien Träger der Jugendhilfe ausgetragen. »Die Energie könnte man viel eher ins Sommerferienprogramm investieren.«

Irmgard Wurdack (LINKE) findet: »Die Finanzsperre ist unverantwortlich, umso mehr, als Buschkowsky sie auf der Grundlage einer nicht nachvollziehbaren Datenbasis verhängt hat.« Sie fordert, dass »die Jugendarbeit in Neukölln gesichert werden muss«.

Scheinbar führt die entstandene Unruhe nun zu einem Nachdenken in der Bezirkspolitik. Bürgermeister Buschkowsky ließ durchblicken, dass er eventuell bereit sei, die Sperre am kommenden Dienstag aufzuheben. Dann würden auch die Kündigungen zurückgenommen.

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