Bauernopfer fürs Image der Regierung in Paris

Zwei Staatssekretäre traten zurück / Erklärungsdruck im Fall Woerth-Bettencourt wächst weiter

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Dass die Tage der Staatssekretäre Alain Joyandet und Christian Blanc in der französischen Rechtsregierung gezählt sind, war seit Tagen bekannt. Präsident Nicolas Sarkozy hatte für September eine Regierungsumbildung angekündigt und ihre Namen gehörten zu denen der abzulösenden Minister.

Überraschend ist nur, dass jetzt schon zunächst der Staatssekretär für Entwicklung und Frankofonie, Alain Joyandet, und dann auch der Staatssekretär für die Bildung von Groß-Paris, Christian Blanc, ihren Rücktritt erklärten.

Offensichtlich waren sie dazu durch Präsident Sarkozy gedrängt worden, der mit diesem »Bauernopfer« den Druck lockern will, der durch den Fall Woerth-Bettencourt auf der Rechtsregierung lastet.

Doch die Schlinge um Arbeitsminister Eric Woerth zieht sich immer weiter zu, denn täglich gibt es neue Enthüllungen über die zwielichtigen Beziehungen des früheren Budgetministers zur milliardenschweren Konzern-Erbin und Steuerbetrügerin Liliane Bettencourt. Während es hier vor allem um die moralisch fragwürdige Verbindung des Ministeramtes mit der Funktion des Schatzmeisters der Regierungspartei UMP geht, wird den beiden jetzt zurückgetretenen Staatssekretären Missbrauch von Staatsgeldern vorgeworfen. So hat Joyandet im März für den Rückflug von einer Konferenz auf der Insel Martinique für 116 500 Euro ein Privatflugzeug chartern lassen, weil er es mit dem Linienflug nicht rechtzeitig zu einem Cocktail im engsten Freundeskreis geschafft hätte, zu dem Präsident Sarkozy ins Elysée eingeladen hatte. Außerdem wurde kürzlich bekannt, dass er mit gefälschten Angaben und Plänen versucht hat, eine Baugenehmigung für die Erweiterung seiner Villa bei Saint-Tropez zu erschleichen. Über seinen Kollegen Blanc wurde der Stab gebrochen, nachdem Zeitungen enthüllt haben, dass er im vergangenen Jahr für 12 000 Euro Zigarren auf Kosten des Ministeriums gekauft hat. Verschärfend kam hinzu, dass er nach einer Rüge durch Premier François Fillon zunächst nur ein Drittel dieser Summe aus seiner Tasche zurückzahlen wollte und Mitarbeiter des Diebstahls bezichtigte.

Bei der Regierungsumbildung im Frühherbst dürfte auch Industrieminister Christian Estrosi über die Klinge springen, der kürzlich ins Feuer der Kritik geraten ist, weil er in Paris zwei Dienstwohnungen beansprucht, von denen er eine seiner Tochter als »Studentenbude« überlassen hat.

Bei der Staatssekretärin für Stadtentwicklung, Fadela Amara, ist es der Bruder, der die Dienstwohnung samt Köchin und Hausmeister in Anspruch nimmt, während sie selbst ihre eigene Wohnung vorzieht. Auch das verstößt gegen Gesetze und Vorschriften.

Wenig »Überlebenschancen« räumen Beobachter auch der Staatssekretärin für Sport, Rama Yade, ein, die in Südafrika den Medien gegenüber die Unterbringung der französischen Fußballnationalmannschaft in einem Luxushotel als »Verschwendung« bezeichnete, während sie selbst in einem noch viel teureren Hotel gebucht hatte. Derartiges Verhalten seiner Minister straft nicht nur die Ankündigungen von Sarkozy Lügen, der sich den »Kampf für mehr Moral in der Politik« auf die Fahnen geschrieben hatte. Mehr noch zeugt es davon, wie weit die Regierungspolitiker über den Problemen und Sorgen der Franzosen schweben. Die Rechnung kommt prompt: einer am Montag veröffentlichten Umfrage zufolge bezeichnen 64 Prozent die Politikerkaste pauschal als »korrumpiert«.

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