Blick zurück zum Urknall

ESA-Weltraumteleskop »Planck« enthüllt feinste Strukturen des Universums

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Das seit gut einem Jahr im All schwebende Weltraumteleskop »Planck« hat seine erste Bewährungsprobe glänzend bestanden: Aus den zur Erde gesandten Daten konnten Forscher eine komplette Karte des Himmels erstellen, die auch die kosmische Hintergrundstrahlung enthält.
Das 2000 Kilogramm schwere Weltraumteleskop »Planck«
Das 2000 Kilogramm schwere Weltraumteleskop »Planck«

Genau für diesen Augenblick wurde ›Planck‹ geschaffen«, jubelt David Southwood, der als Direktor für Wissenschaft und Robotische Exploration bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA tätig ist. Denn das dort konstruierte, etwa 2000 Kilogramm schwere Weltraumteleskop, das am 14. Mai 2009 mit einer Ariane-5-Rakete ins Weltall geschossen worden war, hat gleich zweierlei vollbracht: Es hat erstens die Milchstraße »bis hin zu den entferntesten Gefilden von Raum und Zeit« durchforstet und zweitens die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung im Universum detailliert vermessen. ESA-Forschern ist es daraufhin gelungen, aus all diesen Daten eine Himmelskarte zu erstellen, die in ihrer Präzision und Vollständigkeit bisher unerreicht ist.

Warum Wissenschaftler sich überhaupt so lebhaft für die kosmische Hintergrundstrahlung interessieren, hat einen einfachen Grund: Diese Strahlung, die etwa 380 000 Jahre nach dem Urknall entstanden ist, gilt als wichtigster Beleg für die Theorie des Big Bang. Außerdem lässt sich aus der Struktur der Hintergrundstrahlung ablesen, wie das Universum vor rund 13,7 Milliarden Jahren aussah, als es erstmals durchsichtig wurde. Schon damals waren die heute gigantischen Galaxien und Galaxienhaufen in Form von winzigen Fluktuationen der Materiedichte angelegt, die sich als minimale Temperaturschwankungen gleichsam in die Hintergrundstrahlung eingebrannt haben. Zuerst entdeckt hat diese Schwankungen der NASA-Satellit COBE (Cosmic Background Explorer), der zwischen 1989 und 1993 um die Erde kreiste. Dessen Daten wiederum konnten von der 2001 gestarteten US-Raumsonde WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) bestätigt und präzisiert werden.

Nun hat »Planck« den Weg seiner Vorgänger mit höherem Aufwand fortgesetzt und die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung in insgesamt neun Frequenzbereichen gemessen. Erwähnt sei noch, dass der Hauptspiegel des ESA-Teleskops einen Durchmesser von 1,75 Metern besitzt und für möglichst geringes Streulicht konstruiert ist. Zudem ist die Winkelauflösung mit etwa fünf Bogenminuten wesentlich besser als beispielsweise beim WMAP-Projekt. Die von »Planck« erhobenen Messdaten liefern aber nicht nur ein Bild des frühen Universums; sie sollen auch zur Überprüfung der sogenannten Inflationstheorie dienen. Bevor das Universum 10 hoch minus 35 Sekunden alt war, hat sich danach der Raum explosionsartig aufgebläht. Aus den winzigen Quantenfluktuationen des Energiefeldes, das für diese Raumexplosion verantwortlich war, dürften zugleich jene im Mikrowellenbereich sichtbaren Dichtefluktuationen hervorgegangen sein, aus denen zu guter Letzt die heutigen Galaxien entstanden sind.

Allerdings müssen sich die ESA-Forscher den Zugang zu den vollständigen Daten der Hintergrundstrahlung noch weiter erarbeiten. Denn im Zentrum der Himmelskarte, die mit Hilfe der »Planck«-Daten jetzt erstellt wurde, befindet sich die Hauptscheibe unserer Galaxis, die nach oben und unten von Bändern aus kaltem Staub flankiert ist, in denen unentwegt neue Sterne entstehen. Weil die Strahlung der Milchstraße einen großen Teil der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung überdeckt, ist es unumgänglich, unsere Galaxis nachträglich aus dem Himmelsbild zu entfernen. Nur so lassen sich die gesuchten minimalen Temperaturschwankungen in größerer Zahl auffinden und analysieren.

Insgesamt vier Mal soll das Weltraumteleskop »Planck« den gesamten Himmel kartieren, bevor es im Jahr 2012 seine Tätigkeit endgültig einstellen wird. Der Grund: Das zur Kühlung der Instrumente verwendete Helium ist dann komplett verdampft und kann, weil »Planck« rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt durchs All schwebt, nicht nachgefüllt werden. Die Kosten für die gesamte Mission belaufen sich nach Schätzungen der ESA auf rund 700 Millionen Euro.

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