Abriss ohne Ende

Seit 2004 wird der Atommeiler Mülheim-Kärlich abgebaut. Von außen sieht er aus wie immer

  • Tobias Goerke, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
250 Menschen arbeiten derzeit an der Demontage des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich (Rheinland-Pfalz), mehr als 30 000 Tonnen Material sind schon weggeschafft. Doch wann die Arbeiten abgeschlossen werden können, ist völlig offen.

Mülheim-Kärlich. Der Kühlturm ragt noch unversehrt 160 Meter in die Höhe. Von außen ist kaum wahrnehmbar, wie stark der Rückbau des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich (Kreis Mayen-Koblenz) betrieben wird. Innen schreitet die Dekontamination voran: Abgebaute Teile werden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen abgespült, das Wasser wird gesammelt und verdampft. Zurück bleibt radioaktiver Abfall. Pumpen, Armaturen oder Rohre wandern nach Kontrollmessungen auf den Schrott. 250 Menschen sind derzeit am AKW im Einsatz.

Seit 2004 sind mehr als 30 000 Tonnen des Atommeilers abgebaut worden – nur 30 Tonnen davon waren radioaktiver Müll. »Da sind wir ein bisschen stolz darauf, da hätten wir mehr erwartet«, sagt der Anlagenleiter Walter Hackel. Insgesamt rechnet der Eigentümer, der Energiekonzern RWE, aber mit bis zu 3000 Tonnen verstrahltem Müll. Solche Abfälle werden laut Hackel in mit Beton verfüllten Containern abtransportiert. Bis das bundeseigene Endlager Schacht Konrad in Niedersachsen fertig ist, stehen diese in Gorleben, Hanau oder Ahaus.

Nur 13 Monate in Betrieb

Der Abriss des Kraftwerks mit 500 000 Tonnen an Metall und Beton hatte im Sommer vor sechs Jahren begonnen. Der 1300-Megawatt-Atommeiler war 1988 nach einer Gesamtbetriebszeit von nur 13 Monaten abgeschaltet worden, weil bei Planungen die Erdbeben- und Vulkanismusgefahr nicht ausreichend bedacht worden war. Der Großteil der Radioaktivität verschwand bereits 2002, als die letzten Brennelemente in die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague gebracht wurden.

Um sicherzustellen, dass beim Rückbau nicht mehr radioaktive Abfälle anfallen als Kapazitäten für die Zwischenlagerung vorhanden sind, wurde das Genehmigungsverfahren in drei Stufen aufgeteilt. Das Umweltministerium in Mainz ist als atomrechtliche Aufsichtsbehörde zufrieden: Der Rückbau verlaufe »nach Plan« – alle Vorgaben seien eingehalten worden. Mit dem letzten zu genehmigenden Schritt solle die Anlage schließlich aus der Aufsicht entlassen werden.

Doch je mehr abgebaut wird, desto schwieriger wird die Arbeit im Inneren. »Um die Anlage herum bauen wir Infrastrukturkreise, um die Versorgung mit Luft, Wasser und Strom sicherzustellen«, erklärt Hackel. Nun ginge es daran, das Inventar des Maschinenraums auszubauen, sagt der Anlagenleiter. RWE hat diesen konventionellen Teil an einen ägyptischen Versorger verkauft. Es handele sich etwa um Turbinenteile oder um einen Generator von einigen hundert Tonnen Gewicht – »der muss wohl über das Wasser abtransportiert werden«.

Zum Kaufpreis äußert sich Hackel nicht, das »Handelsblatt« will von rund 40 Millionen Euro erfahren haben. Beide Vertragspartner profitieren: RWE spart sich die Entsorgung und die Ägypter bekommen eine Anlage, die wegen ihrer kurzen Laufzeit kaum Verschleißerscheinungen zeigt. Sie soll in einem neuen Kraftwerk eingesetzt werden, das vermutlich mit Gas angetrieben wird.

In Richtung grüne Wiese

In Mülheim-Kärlich war die Stilllegung des Kraftwerks nicht überall begrüßt worden. »Wir haben uns mit der Entscheidung abgefunden. Das war damals ein sehr hoher Verlust an Gewerbesteuern«, sagt Mülheim-Kärlichs Bürgermeister Uli Klöckner (CDU). »Mich interessiert jetzt die Nachnutzung.« Doch dafür hat RWE noch keine konkreten Pläne. »Wir arbeiten erst mal in Richtung grüne Wiese«, sagt Hackel. Vieles sei denkbar, meint Klöckner, »das ist eine Industriefläche in hervorragender Lage«. Das Gelände sei über Straßen, Schienen und die direkte Lage am Rhein gut angebunden.

In der Bevölkerung der Stadt sei der Atommeiler heute kein Thema mehr, sagt Klöckner. Der weithin sichtbare Kühlturm gehöre nach rund 30 Jahren fast schon in das Bild der Region, die Menschen hätten sich daran gewöhnt. »Viele kennen das ja gar nicht anders.«

Der Turm mit einem Durchmesser von 120 Metern am Boden wird 2011 oder auch erst 2012 in Angriff genommen, er habe nicht die »höchste Priorität«, sagt Hackel. »Und wir werden nicht sprengen, es tut mir leid.« Solche spektakulären Bilder werde es nicht geben. Eine Schneid- oder Brechtechnik sei günstiger und sicherer.

Erst danach sollen der Druckbehälter und der Schild des Reaktors abgebaut werden, damit sie direkt in den Schacht Konrad gebracht werden können. Wann die Arbeiten in Mülheim-Kärlich abgeschlossen werden, ist offen.

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