Schikaniert, abgezogen und ausgesetzt
Zwei Bundespolizisten müssen für Demütigung von Vietnamesen und Raub ins Gefängnis
Das Landgericht Berlin verurteilte am Dienstag zwei Bundespolizisten zu Haftstrafen von vier Jahren und neun Monaten bzw. drei Jahren und neun Monaten wegen schweren Raubes, Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung.
Udo R. und Michael A. hatten Vietnamesen, die offenbar unverzollte Zigaretten verkauften, im vergangenen Dezember und Februar in acht Fällen willkürlich und schikanierend kontrolliert. Dabei hatten sich die Betroffenen mitten im Winter die Unterhosen herunterziehen oder die Socken ausziehen müssen. Anschließend wurden ihnen Zigaretten, Monatskarten und ihr Bargeld abgenommen, mal sechs, ein anderes mal zehn oder 18 Euro – ein einziges Mal erbeuteten sie 300 Euro. Vor Gericht hatten zwei Geschädigte ausgeführt, sie hätten die Behandlung als entwürdigend empfunden.
»Ich habe beim Lesen der Anklageschrift gedacht, ich lese nicht richtig«, sagte Richter Matthias Schertz. Die Bundespolizisten verdienten Netto 2400 bzw. 1800 Euro, hatten einen sicheren Arbeitsplatz und Pensionsansprüche. Beide Männer waren in geordneten Verhältnissen aufgewachsen und in ihrem Leben nie straffällig geworden.
Umso perfider gingen die Polizisten bei ihren Raubzügen vor, nach denen sie jedes Mal die SIM-Karten der Handys ihrer Opfer zerstörten, damit die keine Hilfe holen konnten. In Einzelfällen wurden Vietnamesen mit der Faust und dem Schlagstock geschlagen oder mitten in der klirrenden Kälte außerhalb der Stadt in einer ihnen unbekannten und menschenleeren Gegend ausgesetzt. Das traf auch einen Vietnamesen, der bei mehr als zehn Grad unter Null nur Latschen getragen hatte, weil er nur kurz vor die Tür seines Wohnheimes gehen wollte.
»Um Geld ging es dabei gar nicht, darin sind sich alle Prozessbeteiligten einig«, sagte Richter Matthias Schertz. »Ihnen ging es darum, Macht auszuüben. In Vietnamesen erblickten sie ihre Opfer, weil die Respekt vor Polizeibeamten hatten, sich nicht richtig wehren konnten und ihnen nach Ansicht der Angeklagten sowieso keiner glauben würde.« Letzteres war ein Irrtum. Die Opfer vertrauten sich der Leitung ihres Asylbewerberheimes an, die daraufhin Strafanzeige stellte.
Vor Gericht waren die Polizisten voll geständig und räumten sogar zwei Fälle mehr ein, als angezeigt worden waren. Sie entschuldigten sich bei ihren Opfern. Ihre Reuebekundungen im Gerichtssaal klangen glaubhaft. Udo R. und Michael A. hatten nach eigenen Angaben aus Frust gehandelt. »Ich wollte Gutes tun, aber nur selten gab es gute und sinnvolle Einsätze«, hatte Udo R. vor Gericht ausgesagt. Er hatte mehrfach Versetzungsanträge gestellt – vergebens.
Die Kollegen versahen ihren Dienst auf ruhigen S-Bahnhöfen wie Baumschulenweg und Treptower Park. Dort erteilten sie Fahrgästen Auskünfte und kontrollierten vietnamesische Zigarettenhändler. Dabei blieben Erfolgserlebnisse aus. »Man schrieb gegen Zigarettenhändler eine Anzeige und eine oder zwei Stunden später stand der Betroffene wieder am alten Platz«, führte Udo R. aus. Das Gesetz sieht beim illegalen Zigarettenhandel Geldstrafen vor. Die schreckten die Leute, die sich für den Transfer nach Europa hoch verschuldet hatten und legal nicht arbeiten durften, nicht ab. Da haben die Polizisten das Recht in die eigene Hand genommen und Exekutive und Judikative verwechselt. Dass die beiden Männer, die seit Februar in U-Haft sitzen und aus dem Staatsdienst ausgeschieden sind, vergleichsweise hoch bestraft wurden – man denke an das milde Urteil für einen Berliner Polizisten, der Dennis J. im brandenburgischen Schönfließ erschossen hatte –, liegt am Gesetz: Das sieht bei Raub unter Führung einer Schusswaffe ein Mindeststrafmaß von drei Jahren vor.
Eine Ausnahme war der jetzt verhandelte Fall im Übrigen nicht: Im vergangenen Winter hatten Berliner Polizisten ebenfalls einen vietnamesischen Zigarettenhändler in menschenleerer Gegend ausgesetzt.
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