Frondienst für die bloße Existenz
Von der Leyen will 160 000 Langzeitarbeitslose »aktivieren« und 34 000 in »Bürgerarbeit« zwingen
Berlin (AFP/ND). Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stellte das Modellprojekt »Bürgerarbeit« am Freitag in Berlin vor. Fast die Hälfte aller Jobcenter beteiligt sich an der neuen Förderungsmaßnahme, bundesweit 197. Das dreijährige Projekt wird mit insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro gut zur Hälfte vom Bund und zum anderen Teil vom Europäischen Sozialfonds finanziert. Damit werden die freiwilligen Modellversuche, die bislang nur in einzelnen Regionen in Sachsen-Anhalt stattgefunden hatten, auf alle Länder ausgeweitet.
Die Jobcenter wählen ab dem 15. Juli bundesweit zunächst 160 000 Langzeitarbeitslose für eine sechsmonatige »Aktivierungsphase« aus, um sie gezielt in den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Erfahrungsgemäß könnten vier von fünf Arbeitslose auf diese Weise vermittelt werden oder verzichteten freiwillig auf Regelleistungen, sagte von der Leyen. Wer dagegen nach sechs Monaten übrig bleibt, soll zur Bürgerarbeit verpflichtet werden.
Vorrangig gehe es dabei um Arbeitslose mit geringen Vermittlungschancen in strukturschwachen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Die »Bürgerarbeiter« könnten beispielsweise ältere und behinderte Menschen betreuen, Sportangebote für Jugendliche leiten oder Laub aufsammeln, schlug die Ministerin vor. Wichtig sei, dass die Arbeit gemeinnützig ist und keine regulären Jobs verdrängt. Für 30 Wochenstunden Arbeit bekommen die Bürgerarbeit ein Monatsgehalt von 900 Euro.
Sollten Arbeitslose Angebote für »Bürgerarbeit« ablehnen, würden dafür laut Arbeitsministerium im Grundsatz die gleichen Regeln gelten wie für andere Arbeitsangebote. Dies würde auch Sanktionen einschließen.
Die LINKE kritisierte, mit Hilfe der Bürgerarbeit könnte »jeder Erbwerbslose erpresst werden, gegen seinen Willen nahezu in Vollzeit, unabhängig von der Qualifikation für seine bloße Existenz zu schuften«.
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