Hauptstadt grüner Wirtschaft

IHK-Strategie setzt auf Umwelt als vierte Schwerpunkt-Branche

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Sonnenstrahlen fangen fürs Kaffee kochen.
Sonnenstrahlen fangen fürs Kaffee kochen.

Einen »Diskussionsvorschlag, um die Dinge voranzubringen«, nennt Eric Schweitzer etwas harmlos das Konzept einer starken Umweltwirtschaft in Berlin. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) will die »Green Economy« künftig immerhin als vierte Schwerpunktbranche nach Gesundheit, Mobilität und Kreativwirtschaft anerkannt und gefördert sehen. Berlin soll auf den »Weg zur Hauptstadt der Green Economy« gebracht werden.

Der Chef der Interessenvertretung der Berliner Unternehmer rechnet in abendlicher Runde Journalisten vor, dass bei den aktuellen Wachstumsraten dieses Wirtschaftszweiges im Jahre 2020 in Berlin darin 100 000 Menschen Arbeit finden könnten. Derzeit seien es im Bundesvergleich bemerkenswerte 42 000 Beschäftigte.

Sie haben nach dem Begriffsverständnis der IHK für »Green Economy« dort ihre Jobs, wo es um »Techniken, Produkte und Dienstleistungen geht, die Umweltschäden vermeiden, vermindern oder beseitigen«. So beschäftigen allein in der Energietechnik mehr als 350 Berliner Unternehmen 29 000 Mitarbeiter. Die hiesige Photovoltaik-Industrie umfasst rund 1800 Beschäftigte und stellt rund 40 Prozent aller deutschen Photovoltaik-Module her.

Berlin »gut positioniert« sehen die Analytiker bei Forschung, Entwicklung und Innovation. Die Verfügbarkeit von Fachkräften gilt in der Umweltbranche als wichtigster Standortfaktor. Mit einer Quote von 24 Prozent an Hochschulabsolventen liegt Berlin weit über dem Bundesdurchschnitt von 15 Prozent. Vier Universitäten, über 100 Hochschulen, private Universitäten und Forschungseinrichtungen sollen auch künftig eine ungewöhnlich hohe Fachkräftekompetenz sichern helfen.

Berlin und die Region hätten gute Chancen, sich an die Spitze des schnell wachsenden Umwelttechnologiemarktes zu setzen, konstatierte bereits die »Wachstumsinitiative« in einem Ende 2009 von Wirtschaftsverbänden und Politik vorgelegten Strategiepapier zur Green Economy.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) hatte vor Journalisten bereits für Herbst 2010 eine Konferenz u.a. zum Thema Green Economy angekündigt. Er sieht darin ein »Querschnittsthema, ein weites Feld«. Berlin sei hervorragend positioniert, strebe mit der Nachnutzung von Tegel zudem eine räumliche Konzentration an. Einen extra Schwerpunkt wollte er nicht, warb vielmehr für mehr Gemeinsamkeit mit Brandenburg. Dazu verwies er auf die Erweiterung der Innovationsstrategie um das Kompetenzfeld »Energietechnik«. Mit dem Klimaschutzziel einer Reduktion der CO2-Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 entstünden entscheidende Anreize für energieeffiziente Lösungen in Umwelttechnologien.

Nun präsentierten die Wirtschaftsvertreter einen Katalog von 32 Vorschlägen für eine Stärkung der Umweltwirtschaft in Berlin. Sie richten sich an die Politik mit solchen Wünschen wie der Schaffung einer Task Force Green Economy als zentrale Koordinierungsstelle oder nach dem zügigen Start und dem gezielten Ausbau eines Umweltdialogs. Die Koordinierung der Solarbranche in Berlin und Brandenburg, der Aufbau von Leuchttürmen in der Forschung und die Unterstützung freiwilliger Umweltmanagementsysteme stehen auf der Liste ebenso wie ein verbessertes Marketing. Auch als Messeplatz für die Umweltwirtschaft soll Berlin auf Platz 1 gebracht werden.

Etwas Zurückhaltung wird angesichts des Umfangs der Vorhaben erkennbar. Alle gesellschaftlichen Akteure müssten angesprochen werden, denn es gehe um ein Projekt, das nur »im Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft« erfolgreich angegangen werden könne.


Ausgangsbedingungen

  • Größter Anteil an Beschäftigten der Green Economy in Deutschland. In keinem Bundesland werden so wenig Rohstoffe für die Produktion einer Einheit des Bruttoinlandsproduktes (BIP) benötigt.
  • Die Wirtschaft produziert fast dreimal so energieeffizient wie der Bundesdurchschnitt.
  • Jeder Berliner verursacht rund 45 Prozent weniger CO2 als der Bundesdurchschnitt.
  • Platz drei der Bundesländer beim Umsatzanteil von Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Umweltbranche.
  • Schwerpunkte der Umweltwirtschaft (in Prozent, Mehrfachnennungen möglich): Kreislaufwirtschaft 40, Umweltfreundliche Energieerzeugung und -speicherung (34), Energieeffizienz (24), Nachhaltige Wasserwirtschaft (24 Prozent), Luftreinhaltung (15), Lärmminderung (10).

Angaben: IHK Berlin

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