Girlanden aus Tönen

Ein barockes Konzert bei den Passauer »Europäischen Wochen«

  • Gerhard Armanski
  • Lesedauer: 3 Min.

Barock und Bayern – das ist beinahe erscheinungs- und bedeutungsgleich. Nirgendwo in Deutschland ist diese schwer prunkvolle Formensprache derart häufig anzutreffen. Manche behaupten gar, die Bayern selbst seien barock. Die barocke Musik freilich, die besaß auch andere Zentren, in Mitteldeutschland etwa oder in Hamburg.

In Passau finden derzeit zum 58. Mal die Festspiele »Europäische Wochen« statt, diesmal unter dem Motto »Frauengestalten – Frauen gestalten«. Sie bieten ein wahrhaft barockes Angebot an alter und neuer Musik, Theater und Lesungen und haben dafür eine stattliche Reihe von Sponsoren aufgeboten. Die öffentliche Hand trägt so etwas schon lange nicht mehr.

An diesem Abend in der – natürlich barocken – katholischen Pfarrkirche »Mariä Himmelfahrt« zu Rotthalmünster bei Passau wurde mit den selten gespielten »Rosenkranzsonaten« von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704) eine erlesene Rarität geboten, die mit dem Motto »Frauengestalten« allerdings nur insofern zusammenhängt, als sie die Figur Marias in ihren Mittelpunkt stellt. Der Komponist stammte aus Böhmen – dem Dreigespann aus Tschechien, Österreich und Ostbayern haben sich die Festspiele verschrieben. Seine ersten musikalischen Sporen verdiente er sich in seiner Heimat, bevor er Hofkapellmeister des Erzbistums Salzburg wurde. Als Konzertgeiger war er über diesen Kreis hinaus bekannt und berühmt; Kaiser Leopold I. erhob ihn in den erblichen Reichsadelsstand.

Außer geistlichen musikalischen Messen und Kammermusik brachte er 15 Sonaten über die Mysterien des Rosenkranzes hervor, die »freudenhaften«, »schmerzhaften« und »glorreichen« aus dem Leben Jesu und Marias. Aber in diesem Programm und dessen Ausmalung erschöpfen sie sich nicht, sondern erweisen sich als außerordentlich spiel- und experimentierfreudig.

Das betrifft vor allem die vielfachen Umstimmungen der Violine, eine auch Skordatur genannte barocke Technik, die etwa das Spielen schwieriger Akkorde in tieferen Lagen ermöglicht und so zu einer Erweiterung der klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten führt. In den »Rosenkranzsonaten« kommen ganze fünfzehn verschiedene Stimmungen zum Einsatz, wozu die Interpretin auf mehrere bereitliegende Instrumente zurückgriff.

Bibers Soli »zählen zur schwierigsten und einfallsreichsten Musik, die ich aus dieser Zeit kenne«, schrieb ein gutes Jahrhundert nach deren Entstehung der Konzertkritiker Charles Barney. Infolge dieses komplizierten Verfahrens erhält jede der Sonaten einen eigenen unverwechselbaren Charakter, getragen-traurig oder jubelnd-heiter. Um diese Grundthemen schlingt sich ein filigranes Girlandenwerk aus melodischen Einfällen, die mit ihrer kräftigen Motivik durchaus eigenständig bestehen können. Es ist diese musikalische Reflexion des Geschehens in Bibers Musik, welche den Reiz der Komposition ausmacht.

Getragen wurde das aus einem Trio von E. Kubitschek (Wien) an der Kleinorgel, A. Fahrni (Kanada/Deutschland) an der Violone, einem celloartigen Instrument, und vor allem der weitberühmten Expertin für Violine M. Ronez aus der Schweiz. Diese kam in der solo gespielten abschließenden »Passacaglia in g-moll« zu ihrem vollen Recht. Sie ist überschrieben »Der Schutzengel als Begleiter des Menschen«. Die Interpretin arbeitete meisterhaft ebenso die zarten wie die stark gestrichenen Tonläufe heraus, die schließlich zauberhaft verschwebten.

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