»Denk an die Quelle ...«

Vor 35 Jahren wurde der Vietnam-Solidaritätsausschuss gegründet

  • Ilona Schleicher
  • Lesedauer: 4 Min.

»Solidariät hilft siegen.« Unter diesem Motto konstituierte sich am 20. Juli 1965, elf Jahre nach der Unterzeichnung der Genfer Indochina-Abkommen, der Vietnam-Ausschuss beim Solidaritätskomitee der DDR. Er koordinierte bis 1975 die Solidarität mit dem vietnamesischen Volk.

Mit der Bombardierung Nordvietnams und dem Einsatz regulärer US-Truppen in Südvietnam im März 1965 hatten die USA ihre Aggression in Vietnam bedrohlich eskaliert. Weltweit wuchs die Empörung über den schmutzigen Krieg gegen das Freiheitsstreben des vietnamesischen Volkes. Vietnam wurde zur Schlüsselfrage internationaler Solidarität und der Weltfriedensbewegung.

In dem neu gegründeten Ausschuss waren alle Parteien und Massenorganisationen vertreten. Ihm gehörten darüber hinaus ganz unterschiedliche Persönlichkeiten an: Arbeiter, Bauern, Handwerker, Diplomaten, Außenhändler, Mediziner, Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller und Journalisten an. Viele von ihnen kannten Vietnam, waren dort an wichtigen Projekten der Zusammenarbeit mit der DDR beteiligt. Zum Vorsitzenden wurde Gesundheitsminister Max Sefrin (CDU) berufen, Sekretär des Ausschusses wurde Willi Zahlbaum.

Die Bildung des Vietnam-Ausschusses, die auf der Grundlage eines Beschlusses der SED-Führung erfolgte, war mehr als ein administrativer Akt. Sie war notwendig geworden, um die sich spontan ausbreitenden Solidaritätsaktionen der Bevölkerung im Interesse einer effektiven Unterstützung Vietnams zu koordinieren. »Die Menschen waren erfüllt von dem Wunsch«, so der 2002 verstorbene Willi Zahlbaum in einem Rückblick 1989, »dem vietnamesischen Volk mit allem, was sie für zweckmäßig hielten, unverzüglich zu helfen. Aber ohne Kenntnis der Kriegslage, der natürlichen Lebensbedingungen in Vietnam und des dringendsten Bedarfs konnte hilfreiche Solidarität trotz besten Willens niemals von dem Nutzen sein, der beabsichtigt wurde.« Zudem waren die realen wirtschaftlichen Möglichkeiten der DDR zu berücksichtigen.

Die Vietnam-Solidarität entwickelte sich in der DDR zu einer Massenbewegung. »Die Menschen spürten«, schrieb Zahlbaum, »dass von ihrem persönlichen Einsatz wirklich etwas abhängt. Sie fanden sich zusammen in den Traditionen der Arbeitersolidarität, des bürgerlichen Humanismus und der christlichen Nächstenliebe.« Er konstatierte »eine seltene Einmütigkeit breiter Bevölkerungsschichten mit der DDR-Staatspolitik«. Erstmals beteiligten sich neben Gewerkschaftsmitgliedern in nennenswertem Umfang auch Menschen mit ganz anderem sozialen Hintergrund – Genossenschaftsbauern, Handwerker, Gewerbetreibende – an einer Solidaritätsbewegung.

Weltoffenheit und Toleranz, Herz und Verstand waren gefragt, um dieser Vielfalt gerecht zu werden. Willi Zahlbaum, in dieser Hinsicht bereits durch die sozialistische Kinder- und Jugendbewegung geprägt, hatte dafür beste Voraussetzungen. Er war in Kreuzberger Hinterhöfen aufgewachsen und stolz auf die Traditionen der Arbeitersolidarität. Zugleich empfand er größte Hochachtung für Menschlichkeit und solidarisches Handeln, die sich aus anderen Quellen speisten. Der Vietnam-Ausschuss vereinte Persönlichkeiten, so schrieb er, »wie ich sie in dieser selbstlosen schöpferischen Aktivität und freundschaftlichen Verbundenheit selten erlebt habe.« Er empfand die Arbeit mit ihnen als »die bewegendste Zeit weltanschaulicher und menschlicher Bewährung nach 1945.«

1914 geboren, hat er als Arbeiterjunge die Hungerjahre nach dem Ersten Weltkrieg erfahren. Während des Zweiten Weltkriegs steckten die Nazis den antifaschistischen Widerstandskämpfer, nach einer Gefängnishaft als ›wehrunwürdig‹ eingestuft, ins Strafbataillon 999. »Ich habe Schreckliches ansehen müssen. Aber was die Aggressoren dem vietnamesischen Volk antaten, war in anderer Weise so ungeheuerlich, dass es sich beinahe der menschlichen Vorstellungskraft entzieht.«

Bereits ein Jahr nach seiner Gründung konnte der Vietnam-Ausschuss über beeindruckende Solidaritätsaktionen berichten: Acht Millionen Menschen hatten Protestresolutionen gegen den Krieg unterschrieben. Sechs Millionen Mark der DDR waren an Spenden gesammelt, Solidaritätslieferungen mit 5000 Fahrrädern, Medikamenten und medizinischen Geräten auf den Weg gebracht worden. 50 000 Menschen hatten Blut gespendet. Im »Dresdner Appell« hatten Bürger dieser leidgeprüften Stadt zur Solidarität mit den Opfern des Bombenkrieges in Vietnam aufgerufen. Kumpel des Kali-Kombinats »Werra« förderten zusätzlich 10 000 Tonnen Kali für Vietnam, Künstler spendeten ihr Honorar, Schulkinder sammelten Altstoffe. Juristen, Chemiker, Mediziner entlarvten die Lügen, mit dem die USA den Einsatz giftiger Chemikalien zu verschleiern versuchten.

Willi Zahlbaum zitierte gern das vietnamesische Sprichwort: »Wenn Du Wasser trinkst, denk an die Quelle.« Die Mitglieder und Freunde des Solidaritätsdienst-international e.V. (SODI), Rechtsnachfolger des DDR-Solidaritätskomitees, tun dies, wenn sie auf nunmehr 20 Jahre erfolgreicher Solidaritätsarbeit – darunter auch in Vietnam – zurückblicken.

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