Die Auskunft des Kriminalgerichts

Gudrun Schwenke hilft Besuchern durch das Labyrinth im Justizpalast

  • Cornelia Herold, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Schweißüberströmt betritt ein Mann Zimmer 202, gleich hinter der Sicherheitskontrolle des Gerichts. Der Berliner ist zu seinem Prozess geladen. Er ist spät dran. Vor Aufregung hat er den Saal vergessen. Gudrun Schwenke greift zum Telefon. Ein Anruf in der zuständigen Geschäftsstelle genügt. Der Fall ist gelöst: Gang links, Treppe hoch und geradeaus.

Der Posten ist Gudrun Schwenke auf den Leib geschnitten. »Ich finde Stress toll«, bekennt die Justizamtsinspektorin. Stets freundlich und offen hält die 58-Jährige die Fäden in der Hand. Wenn selbst sie es mal zu viel findet, hilft ein Blick auf ein Poster mit Palmenstrand und blauem Meer. 1970 von der Schulbank weg hatte sich die Berlinerin für eine Laufbahn bei der Justiz entschieden. 40 Jahre ist sie inzwischen dabei. Bis zu 60 Ratsuchende kommen täglich, seit die Informationsstelle des Amtsgerichts Tiergarten und der Berliner Staatsanwaltschaft im März 2009 öffnete. »Wir wollen kurze Wege«, beschreibt die engagierte Beamtin das Ziel des Justizservice. Sie gibt Auskunft, wo ein Besuchsschein für Inhaftierte beantragt werden kann. Wenn jemand Anzeige erstatten will, weist Schwenke den Weg zum Staatsanwalt.

Wer arbeiten will, statt seine Geldstrafe zu zahlen, auch dem wird geholfen. Anwälte klopfen an und geben ihre Post ab. Sie erfragen Aktenzeichen für ihre Mandanten. Referendare erkundigen sich nach der Bibliothek. Auch Schüler, die ihre Klasse beim Gerichtsbesuch verloren haben, suchen Hilfe. Das ist das Alltagsgeschäft für die routinierte Berlinerin mit einem Faible für Kriminalromane und Geschichte. Schwenke ist auch Kummerkasten und Blitzableiter. Wenn jemand nach einem verlorenem Prozess Dampf ablassen will – die Beamtin hört sich auch das an. »Manche beißen sich richtig fest«, weiß Schwenke aus Erfahrung.

Kürzlich kam ein Mann mit einem ganzen Packen Schriftsätzen vorbei. Es waren 35 Seiten mit einer akribisch geführten Liste, was der böse Nachbar treibt. Schwenke versuchte, den Eiferer zu besänftigen. Nachdenklich erinnert sich die lebenslustige Beamtin auch an Frauen, die ihr Herz ausschütten wollten. Meist am Freitag kommen ältere Berlinerinnen. Sie setzen sich auf die hölzerne Besucherbank und sprechen von ihren Ängsten.

Eine Frau, bepackt mit Plastiktüten, klagt, dass die Wände in ihrer Wohnung unter Strom stehen. »Ich kann nicht helfen, aber zuhören«, sagt die Beamtin zu ihrer Rolle als Seelsorgerin. Andere treibt offenbar Neugier oder eigene Betroffenheit in die Informationsstelle. So hätten sich viele Frauen nach dem Prozess gegen einen Schönheitschirurgen erkundigt, der wegen eines tödlichen Kunstfehlers auf der Anklagebank saß.

Häufig klingelt das Telefon in dem maisgelb gestrichenen Büro. Die Informationsstelle hat sich bewährt. Gudrun Schwenke, die sich die Aufgaben mit einer Kollegin teilt, zieht eine positive Bilanz. »Das ist der Job für mich«, schwärmt die allein stehende Frau. Bisher sei niemand ausgerastet. Für alle Fälle gibt es aber einen Alarmknopf.

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