Alles ist im Fluss

Das Festival »Wassermusik« lockt ins Haus der Kulturen der Welt

  • Hansdieter Grünfeld
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Musiker Zeitkratzer
Der Musiker Zeitkratzer

Laut Wetterfrosch tritt die Spree, die am Haus der Kulturen der Welt vorbeifließt, vom 22.7. bis 13.8. nicht über die Ufer. Wohl aber überschwemmen anlässlich des Festivals WasserMusik 2010 in dieser Zeit an den Wochenenden Sommergespräche, Konzerte und Filmvorführungen den Tiergarten. Als exemplarische Lebens- und Kulturträger wählte die Freiluftveranstaltungsreihe die Flüsse Donau, Amazonas und Nil. Mit einem glänzend ausgesuchten, teilweise risikofreudigen und internationalen Musikkaleidoskop, über anspruchsvolle geisteswissenschaftliche Vorträge und Diskussionen, bis zu selten gezeigten empfehlenswerten Filmen entstand ein ausgezeichnetes Mischprogramm. Leider aber ist es auch bei einigen Schwächen im Veranstaltungsablauf geblieben, die erneuten Publikumsunmut bescheren könnten.

Mit dem Auftritt der Formationen Gipsy Queens & Kings, zusammen mit Mahala Rai Banda, steht für die Donau-Schiene ein musikalisch glänzender Eröffnungsabend bevor. Als Begegnung der musikalischen Kontraste empfiehlt sich der zweite Abend, kommen doch musikalisch so unterschiedliche Gruppen wie Kalman Balogh und Zeitkratzer zu Ton. Wer rockige Fusionsmusik mag, begrüßt den Auftritt von Erik Sumo Band mit Erzsi Kiss, und wird begeistert auch noch bei KAL aushalten. Die Gruppe spickt Roma-Musik mit Hip-Hop und Dub.

Chicha, so heißt seit Inkazeiten in Peru ein vergorener Maissaft. Heute steht der Name in diesen Breiten auch für einen musikalischen Bastard, der aus Cumbia, afro-brasilianischen Rhythmen und Indio-Folklore in den 60/70er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden ist. Einer der Urväter dieser musikalischen Bewegung, nämlich Sänger Ranil, gibt im Rahmen der Wassermusik 2010 sein Europadebüt. Ebenso gilt es im Zeichen des Amazonas die Gruppen Mucho Indio oder retroVisor aus Kolumbien zu beachten.

Fast ebenso lang wie der Amazonas und noch reicher an Kulturen windet sich der Nil durch Afrika. Sanft und meditativ klingt die Stimme von Geoffrey Oryema aus Uganda. Im reizvollen stimmlichen Kontrast steht hierzu Rasha, eine in Spanien lebende sudanesische Sängerin, die auch Mambo und Reggae beherrscht. Und natürlich darf die Stimme Ägyptens, nämlich Mohammad Mounir, nicht fehlen.

Zum ersten Mal im 3-jährigen Bestehen der Wassermusik, wird am 13. August der syrische Techno-Star Omar Souleyman im Zuge der Themenvorausschau »Wüste« bereits für Wassermusik 2011 vorgestellt. Bleibt zu hoffen, dass sich im Rahmen dieser Thematik auch Libyen präsentiert, und somit der Romanschreiber und Lyriker Ibrahim Al-Kohni wieder in die Stadt kommt.

Soweit so ausgezeichnet, das diesjährige Musikprogramm, das zu höchsten Erwartungen Anlass gibt. Warum sich im Rahmen der Sommergespräche aber interessante geisteswissenschaftliche Beiträge von Michel Serres zeitlich mit dem Beginn der Konzerte überschneiden, Besucher hierdurch unter Zugzwang geraten, ist unverständlich. Angeblich sollen die Filmvorführungen um 22 Uhr beginnen. Letztjährige Erfahrungen zeigen, dass sich der Anfang verschiebt. Wer also über keinen fahrbaren Untersatz verfügt, muss auf großartige Zelluloidstreifen wie »Schwarze Katze, weißer Kater», »Fitzcarraldo«, oder »Margem/Terras«, alle über 120 Minuten lang, verzichten. Denn die letzte Busverbindung vom Haus der Kulturen der Welt fährt um kurz nach Mitternacht.

22.7. bis 13.8.; Haus der Kulturen der Welt, Tel.: 397 871 75

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