Krebs-Brokkoli und Schrumpeltomate
Europäisches Patentamt verhandelt über Einsprüche gegen Schutzrechte für Pflanzenzüchtungen
Mit Plakaten und Kuhglocken haben am Dienstag mehrere hundert Biopatent-Gegner ihrem Ärger vor dem Europäischen Patentamt (EPA) in München Luft gemacht. Unter ihnen war auch Regisseurin Doris Dörrie. Die Demonstranten wenden sich vor allem gegen das »Brokkoli-Patent«. Ein britisches Unternehmen hatte sich 2002 ein Verfahren zur Züchtung einer Brokkoli-Variante mit eventuell krebsvorbeugenden Inhaltsstoffen sowie die so gezüchtete Pflanze selbst schützen lassen.
Eigentlich sind nach dem Europäischen Patentübereinkommen Pflanzensorten und Tierrassen nicht patentfähig, soweit sie durch »im wesentlichen biologische Verfahren« gezüchtet wurden. Das EPA hat sich bei dem Brokkoli-Patent ebenso wie bei früheren Gentechnik-Patenten einer eigenwilligen Definition von »technisch« (eine Patentvoraussetzung) bedient. Die britischen Pflanzenzüchter berufen sich in ihrer Patentschrift auf genetische Marker, nach denen die gekreuzten Pflanzen selektiert werden, um die mit den erhöhten Mengen von Antioxidanzien zu finden. Das Genlabor also macht nach dem Willen der Patentbewerber aus der nicht patentierbaren biologischen Züchtung eine patentierbare »technische« Erfindung. Neben dem Brokkoli-Patent steht auch noch ein israelisches Patent auf eine Tomate mit reduziertem Wassergehalt zur Verhandlung.
Bemerkenswert an der aktuellen Beschwerdesache sind neben den beinahe klassischen Ausschlussgründen für die erteilten Patente die Beschwerdeführer: Bei Brokkoli der Agrochemie-Multi Syngenta sowie ein Pflanzenzüchter und bei der »Schrumpeltomate« der Nahrungsmittelkonzern Unilever. Patentgegner aus der Umweltbewegung vermuten deshalb, dass die Beschwerdeführer die Patente anfechten, um zu unterliegen und damit bestätigt zu bekommen, dass Pflanzensorten generell patentfähig sind. Das EPA muss nun klarstellen, ob eine (bio)technische Ergänzung ein biologisches Verfahren patentierbar macht und ob das Patent die so erzeugten Pflanzen bzw. Tiere samt ihrer Nachkommen einschließen darf.
Bislang unterliegen Neuzüchtungen in Deutschland nur den Regelungen des Sortenschutzes. Damit kann jeder Züchter das von anderen Züchtern auf den Markt gebrachte Saatgut durch Zucht weiter verändern. Bei patentierten Sorten müssten sie dafür Lizenzen erwerben und bei jeder Neuzüchtung recherchieren, ob die gewünschte Eigenschaft nicht patentiert ist.
»Dem EPA müssen endlich Grenzen gesetzt werden«, sagt Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). »Ein Amt, das über sich selbst richtet und aus Patent-Gebühren finanziert, wird im Zweifelsfall jedes Patent bestätigen. Eine Novellierung der europäischen Patentgesetze muss diesen Patentvergaben jetzt ein Ende setzen.«
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