Wenn Baumwurzeln zu Schaden führen

Kaum einer macht sich bei einem jungen Baum Gedanken darüber, welchen Schaden einmal seine Wurzeln anrichten können. Die Beseitigung des Baumes ist dann oft nicht so einfach, insbesondere wenn er naturschutzrechtlichen Regelungen wie der Baumschutzverordnung unterliegt. Für den Eigentümer ist das umso bitterer, wenn nicht nur ein Schaden auf seinem Grundstück, sondern auf dem Nachbargrundstück entsteht. Der häufigste Fall ist, dass Baumwurzeln in Abwasser- und Wasserleitungen eindringen. Einem betroffenen Grundstückseigentümer stehen verschiedene Rechte zu, wenn er derartige Schäden feststellt: - Nach § 910 BGB hat er ein Selbsthilferecht. Er kann Wurzeln eines Baumes, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten, wenn die Benutzung seines Grundstückes tatsächlich beeinträchtigt ist, so beispielsweise, wenn die Wurzeln Leitungen zerstören bzw. gefährden. Eine Fristsetzung gegenüber dem Nachbarn zur Beseitigung ist nicht erforderlich; der Eigentümer kann sofort zur Selbsthilfe schreiten. Allerdings kann sich auch aus Treu und Glauben bei besonderen Umständen im nachbarschaftlichen Verhältnis eine entsprechende Informationspflicht und unter Umständen eine Pflicht zur Fristsetzung ergeben. Das Risiko, dass durch das Abschneiden der Wurzeln die Pflanze beschädigt wird, trägt der Eigentümer der Pflanze, nicht also der beeinträchtigte und zur Selbsthilfe schreitende Nachbar. Trotz des in § 910 BGB normierten Rechts auf Selbsthilfe muss davor gewarnt werden, von diesem Recht allzu schnell Gebrauch zu machen. Eine wichtige Einschränkung findet dieses Selbsthilferecht durch landesrechtliche Bestimmungen, insbesondere natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen. Als wichtigste sind die Baumschutzverordnungen in den Ländern zu nennen. - Weiterreichend hat der Eigentümer gegenüber dem Nachbarn einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB, wonach die Beseitigung aller Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangt werden kann. Die Gerichte haben wiederholt betont, dass das Selbsthilferecht aus § 910 BGB selbstständig neben dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB steht, und zwar ohne Vorrang des einen vor dem anderen. Streitigkeiten über den Beseitigungsanspruch gingen schon häufig vor das oberste Bundesgericht. Meist ging es darum, dass Wurzeln in den Leitungsbereich von Nachbargrundstücken eindrangen, der Nachbar schließlich Maßnahmen der Erneuerung der Leitungen auf seinem Grundstück vornahm und dann die Aufwendungen vom Baumeigentümer verlangte. Ein Beseitigungsanspruch wird immer dann bejaht, wenn keine Duldungspflicht des Nachbarn besteht (z. B. bei einer Beeinträchtigung der Leitungen). So wurde in einem Fall eine Duldungspflicht aus dem Landesstraßengesetz verneint, nach dem Straßenanlieger auch alle Einwirkungen von Pflanzen zu dulden haben, soweit sie unvermeidbar sind. Die Duldungspflicht bezieht sich jedenfalls nicht auf störenden Wurzelwuchs (BGH, Urteil vom 07. März 1986, Az. V ZR 92/85). Zur Duldung verpflichtet ist der Eigentümer auch dann, wenn es sich um nur unwesentliche Beeinträchtigungen handelt. Der Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 BGB umfasst zwar generell nicht den Anspruch auf Beseitigung des Baumes selbst (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 1986, Az. 9 U 51/86). Eingeschlossen sind aber nicht nur Maßnahmen und hierfür angefallene Kosten für die Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung (Entfernen der zerstörten Rohre und Verlegung einer neuen Abwasserleitung), sondern auch für Reinigungsversuche und nähere Untersuchung der Rohrleitung vor kostspieligen Erdbewegungen (BGH, Urteil vom 07. März 1986, Az. ZR 92/85). Die Rechtsprechung hat sogar einen Anspruch auf Maßnahmen, mit denen für die Zukunft Einwirkungen des Wurzelwerks auf Kanalleitungen vermieden werden können, aus § 1004 Abs. 1 BGB bejaht. Denn es ist Sache des Eigentümers des Baumes, neue Beeinträchtigungen zu verhindern. So kann z. B. ein Abschotten der Wurzeln an der Grenze, ein regelmäßiges Zurückschneiden der Wurzeln oder ein Durchtränken des Erdreiches entlang der Grenze mit Wurzel hemmenden Chemikalien verlangt werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 1986, Az. 9 U 51/86). Die Gerichte haben weiterhin betont, dass undichte Stellen im Leitungssystem, die ggf. das Eindringen von Wurzeln begünstigen, nichts am Beseitigungsanspruch ändern; der Aufwendungsersatzanspruch ist lediglich zu kürzen (vgl. BGH, Urteil vom 02. Dezember 1988, Az. V ZR 26/ 88). Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB wurde von Gerichten auch dahingehend ausgelegt, dass der Anspruch auch dann besteht, wenn Baumwurzeln im Bereich der öffentlichen Straße in den Leitungsbereich eingedrungen sind und dort zu Verstopfungen geführt haben. So hat der Bundesgerichtshof in einem Fall in Berlin entschieden, dass der Grundstückseigentümer, der öffentliches Straßengelände für Hausanschluss oder Kanal nutzen muss, beim Eindringen von Baumwurzeln in diesen Kanal im Bereich des Straßengrundstückes die Beseitigung verlangen kann. In dem entschiedenen Fall hatten sich Eigentümer erfolgreich gewehrt, als Baumwurzeln auf Straßenland des Landes Berlin den vom öffentlichen Entwässerungskanal verlaufenden Schmutzwasser-Anschlusskanal des Grundstückes im Straßenbereich verstopfte (BGH, Urteil vom 26. April 1991, Az. V ZR 346/89). Soweit ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB besteht, hat der in seinem Eigentum beeinträchtigte Nachbar auch einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Beseitigung des Schadens. Es empfiehlt sich also, schon beim Pflanzen der Bäume wenigstens einen kurzen Gedanken auf mögliche Verwurzelungen im Leitungsbereich des Nachbarn zu verschwenden. Und noch ein Tipp für den Eigentümer, von dessen Grundstück die Beeinträchtigungen ausgegangen sind: Verfügt er über eine Haftpflichtversicherung und ist das »Kind in den Brunnen gefallen«, sollte er prüfen, ob diese den Schaden deckt. Der Bundesgerichtshof hat unlängst in einer Entscheidung eine Zahlungspflicht der Haftpflichtversicherung bejaht (BGH, Urteil vom 08. Dezember 1999, Az. IV ZR 40/99). FRANK AUE...

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