Bei Loveparade erheblich mehr Verletzte
Staatsanwaltschaft: Ermittlungen »völlig offen« / Bürgermeister lehnt Rücktritt ab
Duisburg (Agenturen/ND). Nach der Katastrophe bei der Duisburger Loveparade mit 19 Toten ist die Zahl der Verletzten auf mehr als 500 gestiegen. Ein Opfer schwebte zwei Tage nach der Tragödie noch in Lebensgefahr, wie Staatsanwaltschaft und Polizei am Montag in der Ruhrgebietsstadt mitteilten. Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) lehnte trotz heftiger Kritik am Sicherheitskonzept der Techno-Party einen sofortigen Rücktritt ab.
Nach neuen Angaben der Ermittler wurden während der Loveparade am Samstag 511 Menschen verletzt, 43 Opfer wurden zu Wochenbeginn weiter in Kliniken behandelt. Nach der Katastrophe prüft die Staatsanwaltschaft mögliche Sicherheitslücken bei der Großveranstaltung. In den kommenden Tagen würden die beschlagnahmten Unterlagen darauf untersucht, ob sich der Verdacht der fahrlässigen Tötung erhärte, sagte ein Sprecher der Behörde.
Für die polizeilichen Ermittlungen ist derweil nicht mehr die Polizei Duisburg, sondern das Polizeipräsidium in Köln zuständig. Die Ermittlungen seien der Kölner Polizei »aus Gründen der Neutralität« übertragen worden, teilte das Düsseldorfer Innenministerium mit. »Diese schwierigen und sehr umfangreichen Ermittlungen brauchen Zeit«, erklärte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). »Hier gehen Sorgfalt und Genauigkeit vor Schnelligkeit.«
Unterdessen berichtete »Spiegel Online« unter Berufung auf ein internes Dokument der Duisburger Stadtverwaltung, dass ein Sachbearbeiter des Bauamts die Organisatoren der Loveparade davon befreit habe, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einzuhalten. Außerdem hätten die Beamten auf Feuerwehrpläne verzichtet.
Der Sprecher der Duisburger Staatsanwaltschaft, Rolf Haferkamp, sagte, es seien zahlreiche Papiere beschlagnahmt worden, die sich mit der Planung der Loveparade befassen. Zum Inhalt einzelner Papiere könne er derzeit keine Aussagen machen, die Auswertung der Dokumente dauere an. Haferkamp machte zugleich deutlich, dass die Ermittlungen zeitaufwendig sein werden. Ihr Ende sei »völlig offen«.
Der wegen der Katastrophe besonders in die Kritik geratene Duisburger OB Sauerland kündigte in einer schriftlichen Erklärung an, er werde sich der Frage nach seiner persönlichen Verantwortung stellen. Doch erst müsse es darum gehen, »die schrecklichen Ereignisse aufzuarbeiten und die vielen Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammenzufügen«.
Jäger informierte am Montag zusammen mit Vertretern von Feuerwehr und Polizei die innenpolitischen Sprecher der Düsseldorfer Landtagsfraktionen. Sie hätten sich zwar um Antworten bemüht, doch seien viele Fragen offen geblieben, sagte Anne Conrads (LINKE). Beispielsweise, wieso die Polizei von maximal 350 000 Gästen spricht und die Veranstalter von einer Million. Zudem sei offen, wieso der tödliche Stau in dem Tunnel entstehen konnte. Auf Luftbildern sei zu sehen, dass das Gelände nicht komplett gefüllt war.
Bei der telefonischen Betreuungshilfe der Polizei meldeten sich seit Sonntagabend mehr als 100 Menschen. Sie wurde eingerichtet, um Unterstützung beim Verarbeiten von Schockerlebnissen zu bieten. Auch Polizisten und Angehörige hätten Hilfe gesucht, sagte ein Sprecher in Essen. Seiten 5 und 16
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.