Auch die Prinzessin lernt Russisch

In der Marzahner Kita »Teremok« ist bilinguale Verständigung Alltag

  • Barbara Staacke
  • Lesedauer: 3 Min.

Die kleine Prinzessin will nicht in die Schule. Alles Zureden, hilft nicht – es scheint ein hoffnungsloser Fall. Da muss erst die gute Mary Poppins eingreifen, die sie schließlich umstimmen kann. Der Vorhang fällt unter kräftigem Applaus.

Für ihr Fest haben Valeria, Daniel und die anderen Vorschulkinder Monate lang geprobt. Nun heißt es Abschied nehmen von der Kita »Teremok«, der bilingualen Einrichtung an der Bruno-Baum-Straße in Marzahn. Das Besondere dürfte sein – wenn diese Mädchen und Jungen in die Schule kommen, können sie sich in zwei Sprachen verständigen. Denn Russisch und Deutsch zu sprechen, ist für sie kein Problem.

Seit 2006 wird das von Mitra, Interkulturelle pädagogische Gesellschaft, betriebene Modellprojekt auch in Schöneberg, Steglitz, Lichtenberg und Mitte praktiziert, darüber hinaus in Köln und Leipzig. Und die Nachfrage ist groß. So habe sich laut Koordinatorin Svetlana Cirikova in der Marzahner Kita die Anzahl der Kinder von 32 auf 170 erhöht. Die Eltern, meist russischer Herkunft, erhoffen sich für ihre Sprösslinge eine bessere Perspektive.

»Wo kann man leichter integrieren und die Sprache erlernen als im Kindesalter«, sagt Marzahns Jugendstadträtin Manuela Schmidt (LINKE), die Mitra vor fünf Jahren das Kita-Gebäude zur Verfügung stellte. »Es ist wichtig, dass die Mädchen und Jungen auch ihre eigene Kultur und Sprache bewahren können«, betont sie. Feste wie die Abschiedsparty sind Bestandteil des Konzepts. So wird in Russisch und Deutsch Theater gespielt, gesungen und es werden Gedichte vorgetragen.

Praktisch sieht es so aus, dass sich eine russische und eine deutsche Erzieherin drei mal täglich 20 Minuten mit 16 Kindern in den derzeit elf Gruppen beschäftigen. »Die Mädchen und Jungen lernen spielend verstehen«, unterstreicht Ulrike Seering, die deutsche Leiterin. Dabei werde auf die Muttersprache aufgebaut. Marina Burd, Chefin des Trägervereins, empfiehlt, so früh wie möglich mit dem Lernen einer zweiten Sprache zu beginnen. Erst in der Schule anzufangen, sei zu spät, weil die Kinder dann die Aufgaben nicht verstehen würden. Auch die deutschen Kinder würden davon profitieren, indem sie nicht nur Russisch lernten, sondern auch Verständnis füreinander entwickeln würden.

Gern würden so manche Eltern ihre Sprösslinge auf die private deutsch-russische Lomonossow-Grundschule (Tiergarten, Lützowstraße 106 und Marzahn, Allee der Kosmonauten 121–123) schicken. Doch nicht jeder besteht den Aufnahmetest »Für uns ist relevant, dass die Kinder ein gewisses Niveau haben«, erläutert Schulkoordinator Alexander Ott. Andere müssen verzichten, weil sie das Schulgeld (100 bis 250 Euro) nicht aufbringen können.

Insgesamt werden 40 ABC-Schützen nach der Sommerpause die Schule besuchen. Dazu gehört auch Lena aus der Kita in Marzahn. Doch die Freude ist getrübt, denn Freundin Lucia wird nicht dabei sein. Und somit werden sich die Wege der Mädchen wohl trennen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.