Kinderwagendiebstahl nimmt zu

Polizisten halten vermehrt Ausschau nach entwendeten Luxusmodellen

  • Lesedauer: 3 Min.
In Prenzlauer Berg wohnen viele junge Eltern.
In Prenzlauer Berg wohnen viele junge Eltern.

(AFP). Fahrzeuge auf vier Rädern haben in Berlin von jeher Diebe angezogen. Doch seit Neuestem haben diese es auch auf nicht-motorisierte Gefährte abgesehen: Kinderwagen sind ein populäres Raubobjekt – aber nicht irgendwelche: Die Langfinger greifen fast ausschließlich bei Wagen der niederländischen Edelmarke Bugaboo zu, Neupreis mindestens 800 Euro, je nach Extras können sie bis zu tausend Euro kosten. Besonders im Berliner Szenestadtteil Prenzlauer Berg sind die Diebe aktiv, wo gut situierte Jungeltern die kleinen Leons oder Leonies im Bugaboo über den Kollwitzplatz schieben.

Schon mehr als 60 Kinderwagen dieser Marke sind in Prenzlauer Berg in diesem Jahr gestohlen worden. »Das ist ein Anstieg«, weiß ein Polizeibeamter, der in dem Kiez Streife läuft und gemeinsam mit einem Kollegen verstärkt nach gestohlenen Luxuskinderwagen Ausschau hält. »Soko Bugaboo« nannten Berliner Lokalmedien die beiden Beamten spöttisch. Eine genaue Statistik gibt es zwar nicht, doch im Schnitt werden in ganz Berlin jedes Jahr rund 300 bis 400 Kinderwagen gestohlen, berichtet die Polizeipressestelle.

»Manchmal sind es in einer Woche fünf Stück«, sagt Liv Teufel, Teilhaberin des Kinderwagengeschäfts »Rasselfisch« in Prenzlauer Berg. In ihrem Laden hat die Polizei einen Warnhinweis aufgehängt, auf dem sie die Eltern auffordert: »Achten Sie auf Ihre Kinderwagen!!!« Die drei Ausrufezeichen zeigen die Dringlichkeit des Anliegens. Kinderwagenbesitzer sollen den fahrbaren Untersatz für ihre Kleinen weder im Hausflur, noch im Hof, noch im Treppenhaus abstellen. Selbst das Anschließen verhindere den Diebstahl nicht.

Eine junge Mutter, die ihren Namen nicht nennen möchte, trägt ihren Kinderwagen deshalb grundsätzlich hoch in die Wohnung oder stellt ihn in einen verschließbaren Keller. Sie schiebt zwar den Wagen eines deutschen Herstellers über die Straße, aber sicher ist sicher. Muss sie den Wagen doch einmal auf der Straße lassen, hat sie ein Fahrradschloss dabei, das schwerer ist als ihr Kind.

Liv Teufel kennt Frauen, denen bereits zwei- oder dreimal der Bugaboo gestohlen wurde. »Eine Kundin bekam ihren Kinderwagen neulich von der Polizei zurück, aber sie will ihn nicht mehr, sondern verkauft ihn jetzt«, sagt sie. Die Diebe treten als Gebraucht-Kinderwagen-Händler auf, oder sie zerlegen den Wagen in Einzelteile und bieten Babyschale, Untersatz oder Fußsack auf Auktionsportalen zum Verkauf. »Dabei werden oft höhere Preise erzielt, als die Ersatzteile im Laden kosten würden«, sagt Teufel.

Viele Eltern steigen jetzt um auf billigere Kinderwagen, in der Hoffnung, dass die Räuber daran vorbeigehen. Doch manch einer bezweifelt, dass es sich hier um klassischen Diebstahl handelt. »Hier geht es nicht nur um die Bugaboos, sondern auch darum, den Familien, die häufig neu zugezogen sind, zu sagen: Ihr seid hier nicht erwünscht«, sagt eine Mutter, die mit ihrem Einjährigen am »Rasselfisch« vorbeikommt.

Was ihre These unterstützt: Kürzlich tauchten rund um den Kollwitzplatz auf den Gehwegen rote Kreise auf mit einem Kinderwagen in der Mitte – im Stil eines Verkehrszeichens: Kinderwagen verboten! Nicht vergessen sind die Plakate, die Ende des vergangenen Jahres in dem Stadtteil aufgetaucht waren: »Wir sind ein Volk und ihr seid ein anderes.« Sie spielten auf den Zuzug vieler wohlhabender Westdeutscher in den einstigen Künstler- und Arbeiterkiez an. Heute dominieren dort feine Restaurants, Bioläden – und Luxuskinderwagen.

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