Klein-Italien in Österreich

Karl-Heinz Grassers saubere Hände

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Über den Strahlemann der Blütezeit des österreichischen Neoliberalismus, den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser, wirft Justitia immer engere Netze. Am Mittwoch wurde die Aussage eines ehemaligen Ministerialbeamten publik, der Grasser vorwarf, in einen Plan zur Bereicherung von FPÖ-Funktionären verwickelt gewesen zu sein, die sich aus anstehenden Privatisierungen bedient hätten.

Es gilt die Unschuldsvermutung. Kein anderer Satz ist in den vergangenen Wochen in Österreich häufiger geschrieben worden, wenn es um den heute 41-jährigen Karl-Heinz Grasser geht. Der zuletzt aufgetauchte Vorwurf wiegt bislang am schwersten.

Demnach hat der wichtigste Mitarbeiter eines FPÖ-Ministerkollegen, Willibald Berner, bereits vor Monaten gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass er erfahren habe, wie zwischen Parteifreunden unmittelbar nach der Ernennung Grassers zum Finanzminister der damaligen rechts-liberalen ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel ein Plan zur persönlichen Bereicherung eines FPÖ-Freundeskreises entwickelt wurde.

Die geschilderte Atmosphäre erinnert ein wenig an italienische Mafia-Filme. Man habe, so Berner unter Berufung auf den damals anwesenden Peter Hochegger, an einem Sommermorgen des Jahres 2000 im Hotel »Bristol« am Wiener Ring beim Frühstück beisammen gesessen und über bevorstehende Privatisierungen geplauscht. Der Gedanke, für jeden dieser Verkäufe entsprechende »Gebühren« abzuzweigen, wäre schriftlich in ein sogenanntes Organigramm gefasst worden. Fein säuberlich aufgezeichnete Kästchen hätten die Namen der Profiteure und die kurz zuvor eröffneten Treuhandkonten in Liechtenstein ausgewiesen.

Die Namen kleinerer Fische vom Schlage des früheren FPÖ-Generalsekretärs Walter Meischberger, des PR-Mannes Peter Hochegger und des Immobilienmaklers Ernst Karl Plech seien direkt ins Organigramm geschrieben worden, während zwei leere Kästchen ohne Namen blieben. Sie wären für die Personen reserviert gewesen, die »für die politische Unterstützung« zu sorgen hätten, also für Karl-Heinz Grasser und den damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider. Der mutmaßliche Aufdecker selbst, Willibald Berner, will nichts in die eigene Tasche gesteckt haben.

Die Namen Meischberger und Hochegger waren zuvor bereits bei einer zweiten Causa aufgetaucht, die Grasser in ein ganz ähnliches Licht rückte, wobei – wie schon erwähnt – immer die Unschuldsvermutung gilt. Die beiden erstatteten im September 2009, in mediale Not geraten, Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung, weil sie eine Provision in Höhe von 10 Millionen Euro auf Konten in Zypern fließen und nicht versteuern lassen hatten. Die Provision der beiden – Meischberger war als Trauzeuge Grassers einer seiner engsten Freunde – war für die von Grasser betriebene Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaft BUWOG geflossen, die für 961 Millionen Euro an die Immofinanz AG ging. Die hatte nur eine Million mehr geboten als der Konkurrent.

Auch die Umstände der Privatisierung dieser 60 000 Beamtenwohnungen sind gerichtsanhängig. Es besteht der Verdacht, dass das darin involvierte Investmenthaus Lehman Brothers den Zuschlag zur Abwicklung nach Insiderinformationen bekommen haben könnte.

Grassers Anwalt verweist die Vorwürfe ins »Reich des Absurden«. Neben den strafrechtlichen Aspekten gibt die »Affäre Grasser«, die um weitere Skandale wie die Ungereimtheiten um einen Julius-Meindl-Investmentfonds ergänzt werden könnten, jedoch einen hervorragenden Einblick in das politische Sittenbild des Landes. Der lateinische Ausdruck »privatisieren« heißt schließlich nicht von ungefähr auf deutsch »berauben«.

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