Der Hund an der Fleischtheke

Hartnäckig arbeitet die FDP an einem Länder-Bündnis gegen den Glückspielstaatsvertrag

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
2011 läuft der geltende Glückspielstaatsvertrag aus, wenn nicht mindestens 13 Länder eine Verlängerung beschließen. Die Lobby hofft auf Deregulierung – und die FDP macht sich zur Speerspitze einer Bewegung, die Fachleute hochproblematisch finden.

Als sich die Kieler CDU-Fraktion im Juni den »Poker-Profi« Boris Becker einlud, um den Glückspielstaatsvertrag – seit gerade zwei Jahren in Kraft – als veraltet zu brandmarken, war das Echo im Norden noch ein allgemeines Augenrollen. Doch die Landesregierung von Schleswig-Holstein wird nicht von dem Thema lassen. Und die FDP macht sich auf die Suche nach Verbündeten.

Fündig ist man jetzt in Hannover. Dort stieg FDP-Fraktionschef Christian Dürr gegen das »Glücks- spielmonopol« in die Bütt und bemühte das Haushaltsargument: Eine Öffnung brächte schöne neue Einnahmen. In Niedersachsen habe der Fiskus durch die Beschränkung des Glückspielmarktes seit 2008 bereits 70 Millionen Euro verloren. Und nach einer Studie die PR- und Beraterfirma »Goldmedia« kann Schleswig-Holstein nach einer Liberalisierung bis 2015 fast 180 Millionen einnehmen, ohne diesen Schritt nur die Hälfte. Dürr ist »optimistisch«, dass der neue Ministerpräsident Niedersachsens, David McAllister, die bisher skeptische Union umstimmt.

Gäbe sich David McAllister dafür her, wäre für die FDP schon die Hälfte des Wegs beschritten: Der Vertrag läuft 2011 aus, wenn ihn nicht 13 oder mehr Länder verlängern. Neben Schleswig-Holstein müssten also nur drei Länder ausscheren. Auch in München hat die FDP gerade dem alten Vertrag »Totalversagen« attestiert.

Flucht ins Ausland

Das in Kiel erarbeitete FDP-Konzept will nicht nur die jetzt bestehenden »Graubereiche« legalisieren, sondern die Anbieter auch an dem bisher unabhängigen »Fachbeirat« beteiligen, der die Länder berät. Besonders dies ruft die Kritik von Ilona Füchtenschnieder hervor, der Vorsitzenden des Fachverbandes Glückspielsucht e.V.: »Hier soll der Hund die Fleischtheke bewachen.«

Der Staatsvertrag soll, vor allem aus Präventionsgründen, tatsächlich ein staatliches Monopol zementieren und das Online-Zocken verhindern: »Das Veranstalten und Vermitteln privater Glückspiele im Internet ist verboten«, so das Gesetz. »Glückspiel ist kein normales Wirtschaftsgut«, verteidigt Füchtenschnieder diese Restriktionen.

Tatsächlich funktionieren die Einschränkungen aber noch nicht. Die Internet-Anbieter gingen ins Ausland, »bet and win« etwa nach Gibraltar. Besonders in deutschen Großstädten schossen zuletzt trotz Staatsvertrag private Wettbuden aus dem Boden. Und als besonders suchtgefährdend gelten Fachleuten ausgerechnet die Kneipen-Spielautomaten, die noch nicht einmal als »Glückspiel« definiert sind. Auch die Glückspielgegner finden die Lage unbefriedigend, hoffen aber auf den Europäischen Gerichtshof. Der überprüft derzeit, ob der Staatsvertrag mit europäischem Wettbewerbsrecht vereinbar ist. »Wir haben den Sekt schon kalt gestellt«, sagt Füchtenschnieder. Nach einem günstigen Urteil könne man auch »die ganzen Wettbuden endlich dichtmachen«.

EuGH-Urteil im Herbst

Allerdings ergehen sich auch die Liberalisierer in Optimismus, seit der EuGH-Generalanwalt Paolo Mengozzi die Suchtprävention als Motiv des Staatsvertrages in Frage gestellt hat. Ein Urteil wird im September erwartet.

Mit diesem Prozess hängt auch ein anderes aktuelles Verfahren zusammen. Der Fachbeirat hat gerade Hessen verklagt, weil das Land das Spielen mittels des neuen E-Briefes der Post erlaubt. »Wenn wir das Online-Verbot nicht konsequent umsetzen, ist der Präventionsgedanke nicht mehr glaubwürdig«, erläutert Füchtenschnieder.

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