Plätscherndes Denkmal

Die Oberharzer Wasserwirtschaft, die nun auf der Welterbeliste steht, ist teils 800 Jahre alt

  • Matthias Brunnert, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Mönche des Zisterzienserordens haben im Harz ein Wassersystem angelegt, das schon vor 800 Jahren Energie für den Bergbau erzeugt hat. 100 Teiche, 70 Kilometer ausgekleidete Gräben und 20 Kilometer Wasserläufe sind noch heute intakt. Seit dem Wochenende steht das System auf der UNESCO-Welterbeliste.

Clausthal-Zellerfeld. An heißen Sommertagen gibt es für viele Menschen im Harz nur eins: Ab in die kühlen Teiche rund um Bun-tenbock. Dass sie dort selbst bei sengender Hitze Erfrischung finden, haben sie den alten Bergleuten zu verdanken. Denn die Teiche sind Teil der weltweit einzigartigen Harzer Wasserwirtschaft.

Etwas vergleichbares gibt es nirgendwo, sagt der niedersächsische Landesdenkmalpfleger Prof. Reinhard Roseneck. Das ausgeklügelte System von kleinen Stauseen, Gräben, Stollen und Wasserläufen, das in seinen frühesten Teilen rund 800 Jahre alt ist, diente den Bergleuten zur Energieerzeugung. Das Besondere: Die Wasserwirtschaft ist zu Teilen bis heute erhalten und in Betrieb. Sie steht seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz und ist jetzt auch Weltkulturerbe der UNESCO.

Nach den Recherchen Rosenecks, der den deutschen Antrag an die UNESCO vorbereitet hatte, gibt es zwar in der Slowakei, in Norwegen und bei Freiberg in Sachsen Anlagen, die vom Prinzip her dem auch »Oberharzer Wasseregal« genannten System ähnlich sind. Alle drei seien aber nicht so ausgeklügelt und vor allem weitaus kleiner.

Die größte Talsperre

Die Harzer Wasserwirtschaft dagegen ist riesig. Weil sie jederzeit Energie für Räder und Pumpen benötigten, um eingesickertes Wasser aus den Schächten und Stollen zu befördern, brauchten die Bergleute Wasser, auch in Trockenzeiten. Sie schufen deshalb in jahrhundertelanger Arbeit rund 150 Teiche mit den dazu gehörenden Staudämmen.

Der wichtigste dieser Wasserspeicher war der um 1720 erbaute Oderteich, der bis ins 19. Jahrhundert hinein die größte Talsperre Mitteleuropas war. Noch heute wird das aus dem Oderteich durch einen Graben nach St. Andreasberg geleitete Wasser dazu genutzt, die Räder der Museums-Grube Samson anzutreiben.

Zu den Teichen kamen rund 500 Kilometer Gräben, 18 Kilometer hölzerne Rinnen, die sogenannten Gefluder. Dazu 30 Kilometer unterirdische Wasserläufe und etwa 100 Kilometer Stollen. Bis heute sind rund 100 Teiche, 70 Kilometer mit Trockenmauerwerk ausgekleidete Gräben und 20 Kilometer Wasserläufe intakt.

Die Anlagen werden aufgrund eines Vertrages mit dem Land Niedersachsen von den Harzwasserwerken mit Millionenaufwand instand gehalten. Die Gräben, deren wohl bekanntester der Rehberger zwischen dem Oderteich und St. Andreasberg ist, seien mit minimalen Gefälle angelegt worden, berichtet der zuständige Ingenieur der Harzwasserwerke, Justus Teike. So wurde das Wasser »möglichst hoch« gehalten. Denn je höher das Wasser auf ein Rad geführt wurde, desto öfter konnte es weitere unterhalb liegende Räder antreiben.

Aus dem Brockenfeld

Die zahllosen Wege neben den Gräben sind heute vor allem bei Wanderern beliebt. Hunderttausende gehen nach Einschätzung des für die Wanderwege zuständigen Harzklubs jährlich daran entlang.

Die längste der künstlichen historischen Wasseradern, der Dammgraben, führt über 15 Kilometer aus einem stillen Tal unterhalb von Torfhaus über das große Harz-Aquädukt, den knapp 1000 Meter langen Sperberhaier Damm. So kann bis heute Wasser aus dem Brockenfeld ein tief liegendes Gelände überqueren und bis Clausthal fließen.

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