Fünf Prozent als Minimum
Business as usual in der Metall- und Elektroindustrie: Die Branche kann vor Kraft kaum laufen – solange keine Lohnverhandlungen anstehen. Wenn aber dies der Fall ist, entdecken die Arbeitgeber regelmäßig, dass ihnen streng genommen das Wasser bis zum Halse steht, die Krise jederzeit wiederkommen könne und Tarifsteigerungen deshalb gerade jetzt absolut gar nicht gehen. Um diese Botschaft zu verbreiten, hat jüngst Gesamtmetall-Geschäftsführer Ulrich Brocker eigens bei Springers »Welt« angerufen – oder umgekehrt.
Während der akuten Phase der Krise hat sich die IG Metall – anders als ver.di – ostentativ zurückgehalten. Das mag richtig gewesen sein angesichts von massiven Absatzeinbrüchen auf den Weltmärkten und Kurzarbeit im Inland. Doch nun steht, vorbehaltlich neuerlicher Krisenausbrüche, wieder eine »normale« Tarifrunde an.
IG-Metall-Chef Berthold Huber argumentiert mit der Binnennachfrage, mit dem Gerechtigkeitsgefühl derer, die keine Schuld an der Krise tragen, von deren Folgen aber getroffen werden. Er will nicht nur eine spürbare Lohnerhöhung, sondern auch ein Ende der lohnpolitischen Diskriminierung von Leiharbeitern. Doch könnte dies schwer zu vermitteln sein, vor allem außerhalb der Gewerkschaft. Denn längst hat sich in der Bevölkerung der so falsche wie alltagslogische Gedanke festgesetzt, nun müsse mal wieder »der Gürtel enger geschnallt« werden – selbstverständlich in erster Linie von denen, deren Einkünfte aus Arbeit resultieren und nicht aus Kapital. Diesen Gedanken hat auch Hubers Lohnpolitik der letzten Jahre legitimiert, wenn auch wider Willen. Nun muss er sehen, ob sich die Geister einfangen lassen, die er mit gerufen hat. Es ist zwar schon ein paar Jahre her, doch der berühmte abgebrochene Streik für die 35-Stunden-Woche im Osten sollte die Metallerzentrale stets daran erinnern, wie schwer es ist, einen Arbeitskampf gegen eine Öffentlichkeit zu führen, die glaubt, sie müsse Lohnerhöhungen selbst bezahlen.
Ende des Monats will die Metallgewerkschaft ihre Lohnforderung präsentieren. Bisher geht die Gewerkschaft NGG voran: Fünf Prozent sollen es in der Tabakindustrie werden. Darunter wird es für Huber kaum gehen.
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