Die Stimmen Ägyptens

WasserMusik holt Mohamad Mounir nach Berlin

  • Hansdieter Grünfeld
  • Lesedauer: 3 Min.
Mounir in Berlin (2003)
Mounir in Berlin (2003)

Wieviele Kulturen dank des fruchtbaren Nilschlammes erblühten, kann niemand mehr mit Bestimmtheit konstatieren. Unbestritten jedoch bleibt, das Ägypten allgemein als bekanntestes Nilland gilt, und daher auf der Nilschiene der WasserMusik 2010 nicht fehlen darf. Noch immer spiegelt sogar das heutige Verhältnis zum Nil und damit auch zu Ägypten die Ignoranz abendländischer Afrikaforscher aus dem 18./19. Jahrhundert. Wohlbekannt war nämlich schon in dieser Zeit, dass das Wort »Nil« aus dem Arabischen stammend, nichts anderes als »blau« heißt. Nichtsdestotrotz entstanden abwegige Begriffsbildungen, wie »Weißer Nil«, die bis heute erhalten blieben, und das, obwohl die Unesco vor Jahrzehnten bereits Arabisch zu einer Weltsprache erklärt hatte.

Ägypten ist das sagenumwobene Pyramidenland, aber der beste Sänger der Vereinigten Arabischen Republik, Mohamad Mounir, ein nubischer Asylant mit ägyptischen Pass. Nubien, einst das Reich der schwarzen Pharaonen, wurde zugunsten der Errichtung des Assuan-Staudammes geflutet. 1954 dort geboren, begann Mounir, was soviel wie der Erleuchter heißt, schon als Jugendlicher zu singen. Neben islamischen Texten öffnete er sich als einer der wenigen auch westlichen Musiken, wie Jazz, Pop oder Reggae. In den 70er- und 80er Jahren arbeiteten regelmäßig Embryomusiker wie Edgar Hofmann oder Roman Bunka in El-Qahira, Kairo, mit ihm zusammen. Drei bis fünf Millionen Audio-Kassetten Mounirs mit weltlichen Texten, die heute noch im Umlauf sind, gibt es für umgerechnet 15-25 Cent das Stück in jedem Basar. Nach dem 11. September 2001 sang Mounir vorrangig pazifistische Sufi-Texte, und produzierte wieder unter Mitwirkung Roman Bunkas die CD: El Ard... El Salam, Friede auf Erden. Zum letzten Mal, am 21.3.2003, dem Tag des Einmarsches der USA in Irak, im Haus der Kulturen der Welt leidenschaftlich gastierend, kehrt nun endlich die zeitgenössischste Stimme Ägyptens nach Berlin zurück.

Umm Kulthum, dieser Name steht ebenso speziell für Ägypten, wie generell für einzigartige weibliche arabische Gesangskunst. Im Nildelta als Bauerntochter geboren, von einem schweren Augenleiden geplagt, ist sie bis heute die einzige arabische Sängerin, die mit einem untrüglichen Sinn für Dramatik, Leidenschaft, aber auch Nachdenklichkeit mit gewaltiger Stimme über Streichorchester hinweg, die längsten Melodiebögen unerreicht ausdrucksstark meistert. Keine andere Sängerin kann bis heute das Publikum so begeistern, oder tief ergriffen machen. Produktionen wie »Fekeruni-Meine Gedanken« oder »Alif va vahed Leila – Tausend und eine Nacht« sollten in keiner Schallplattensammlung fehlen. Ob ihre Autobiografie »Asiri – Meine Geheimnisse« auf Deutsch endlich erschienen ist, konnte nicht ermittelt werden. Am gleichen Tag als die Sängerin 1975 bestattet wurde, kam Kosigyn nach Kairo. Fünf Offizielle, darunter Gamal Abdul Nasser begrüßten ihn am Flughafen. Doch vier Millionen säumten in glühender Hitze die Straßen des elf Kilometer langen Trauerzuges in Kairo. 67 Minuten lang ist die Musikdokumentation: »Umm Kulthum: A Voice like Egypt«, die im Anschluss an das Konzert Mohamad Mounirs gezeigt wird. Der Besuch ist unbedingt zu empfehlen.

Konzert/Film: Mohamad Mounir/Umm Kulthum, 7.8. ab 20.30 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 110, Berlin-Tiergarten.

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