Merci Meissen
Zum 300. Geburtstag der Manufaktur zeigt Bröhan Porzellan aus Jugendstil und Art Deco
Mit seinen reichen Eigenbeständen fällt dem Bröhan-Museum die Gratulationscour nicht schwer. »Zum 300. Geburtstag: Merci Meissen. Jugendstil- und Art Deco-Porzellan« zeigt als kleine Kabinettausstellung künstlerisch Hochkarätiges. Hinter Vitrinen sorgsam verstaut kann man sie bestaunen, die rund 60 Preziosen aus einer führenden, der ältesten Manufaktur aus Europa.
Die Experimente des Duos Tschirnhaus und Böttger, Wissenschaftler und Apothekergehilfe, ließen 1709 Arkanum entstehen, der zu 68 Prozent aus Kaolin und 32 Prozent aus Flussmitteln bestehenden Porzellanmasse. Was die Männer in der Jungfernbastion der Dresdner Brühlschen Terrasse ertüftelt hatten, begründete ein Jahr später schon die »Königlich-polnische und churfürstlich-sächsische Porzellan-Manufaktur«. August der Starke hatte es eilig, verlegte jedoch den Produktionsort zur Geheimwahrung der Ingredienzien in die Albrechtsburg Meissen. »Sein« Hartporzellan wurde begehrtes Handelsgut, nicht zuletzt dank Künstlern für den hochwertigen Entwurf. So wie zuvor andere Kunststile griffen sie auch die organischen fließenden Formen des Jugendstil und Art Deco auf. In zehn Abteilungen ist das bei Bröhan zu studieren.
Schlicht wirken um 1900 die Vasen mit Lauf- und Kristallglasur, wenn vor dem Brennvorgang mehrere Glasurschichten aufgebracht werden. Bei der Weltausstellung 1900 in Paris errang das viel Lob. Elegant bemalt sind andere in einer speziellen Technik, die auf farbigen Grund weiße Masse schichtet.
Rudolf Hentschel entwarf so 1897 den Teller »Frühling«: Eine Nackte entsteigt zwischen Schwänen und Seerosen dem Wasser. Zu den gewichtigen Serien bei Meissen zählen seit jeher Service. Neben bewährte Marken wie das Zwiebelmuster traten nun am Jugendstil geschulte Angebote. Ahorn-, Primel-, Kleeblatt-, Flügelmuster heißen sie und bringen bei gedämpften Farben wundersam schwingende Formen hervor. Für den frühen Jugendstil bei Meissen stehen etwa eine elektrische Leuchte in Drachenform sowie Zierschalen wie eine Nixe mit ihren Kindern, alles in randloser Aufglasurbemalung. Die Serie Modedamen hingegen huldigt mehr dem Zeitgeschmack: Models aus Porzellan zeigen Kleider-Chic, kokett mit gerafftem Rock, mondän mit Pompadour, eislaufend, mit Schlitten auf dem Rücken, liegend unterm Blütenkranz, keck als Kieck-in-die-Luft auf einer Wiese.
Ein spezielles Genre schuf Konrad Hentschel mit Darstellungen von Kindern. Spielend, schlürfend, einen Hund fütternd oder auf Kissen sitzen sie, liebevoll lächelnde kleine Racker. Vorbild für die erneuerte Tierplastik war Skandinavien.
Allein von Paul Walther stammen mehr als 100 Entwürfe für Meissen. Ein Pelikan und ein Pfefferfresser sind von ihm zu sehen, prächtig geben sich Mandarinenten seines Kollegen Max Esser, übermütig zwei Steinböcke von Otto Pilz. Schmalgliedrige Paare formte Paul Scheurich, einer der wichtigsten Kleinplastiker seiner Zeit. In der »Entführung« von 1930 sitzt sie zufrieden mit auf seinem Ross; der spanischen Tänzerin gesellt sich ein Landsmann mit Gitarre bei; fast manieriert ausgestreckt lagert ein Mohr mit Kakadu, hingegossen die Orientalin mit Flöte. Von Scheurich sind auch zwei nur in der Bemalung verschiedene Damen mit Mohrenknabe zu sehen sowie Tänzerpaare aus dem russischen Ballett. Im rötlich braunen Böttger-Steinzeug, 1708 ersthergestellt, hat selbst Barlach modelliert: Im Fremdmaterial Porzellan büßt seine einstige Holzskulptur »Zwei schlafende Vagabunden« von 1912 nichts an persönlicher Handschrift ein. Zu den prachtvollen Exponaten rechnen zwei farbintensive Odalisken von Paul Börner.
Bis 3.10., Di-So 10-18 Uhr, Bröhan-Museum, Schloßstr. 1a, Charlottenburg, Telefon 32 69 06 00, Infos: www.broehan-museum.de
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