Wer schützt das Schutzgesetz?
50 Jahre Gesetz zur Jugendarbeit / Aktion der DGB-Jugend gegen schwarz-gelbe Lockerungspläne
Verbot der Kinderarbeit, Verbot der Nacht- und Feiertagsarbeit sowie das Verbot der Akkord- und Fließbandarbeit für Jugendliche – Regelungen, die am 9. August 1960 erstmals in der Bundesrepublik vom Bundestag in ein Gesetz gegossen wurden. Heute feiert das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) seinen 50. Geburtstag und sieht sich seit jeher und auch aktuell wieder harten Angriffen von Politik und Arbeitgebern ausgesetzt.
Die ursprüngliche Fassung wurde auf Druck besonders der Gewerkschaftsjugend am 12. April 1976 abgelöst vom novellierten JArbSchG, da die alten Regelungen gerade in kleineren Betrieben immer weiter untergraben wurden. Die Gewerkschaften sprechen von bis zu einer Million Verstößen pro Jahr. Nachdem der Gesetzesnovelle harte Debatten vorausgegangen waren, wurde sie schließlich mit den Stimmen aller Parteien verabschiedet.
In den 80er Jahren mit ihrer Ausbildungsplatzknappheit in Westdeutschland machte das Wort vom »Ausbildungsverhinderungsgesetz« die Runde. Die Regelungen wurden zunehmend als »bürokratische Hemmnisse« gesehen. 1984 verabschiedete die Koalition aus CDU und FDP gegen die Stimmen von Rot-Grün eine erneute Novelle des JArbSchG. Die Samstagsarbeit in einigen Ausbildungsberufen wurde eingeführt, die Pausenräume für Jugendliche in Betrieben abgeschafft, und Azubis konnten verpflichtet werden, nach der Berufsschule noch in den Betrieb zu kommen. »Bis heute konnte das JArbSchG in seiner aktuellen Fassung bewahrt werden. Doch weitere Angriffe kommen von Seiten der aktuellen Bundesregierung«, heißt es auf der Homepage der DGB-Jugend.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) veröffentlichte vorige Woche Vorschläge zum Bürokratieabbau. Darin enthalten ist ein Änderungswunsch zum JArbSchG. Jugendliche sollen künftig länger arbeiten dürfen – zwischen 5 bis 23 Uhr statt wie bisher mit Ausnahmen zwischen 6 bis 20 Uhr. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten reagierte prompt: »Es ist menschenverachtend, wenn der Gesundheitsschutz von Jugendlichen unter 18 Jahren als bürokratisches Hemmnis für den Arbeitsmarkt dargestellt wird«, schrieb Franz-Josef Möllenberg am gleichen Tag in einer Mitteilung. Es gehe doch nur darum, dem Bäckereihandwerk oder Gastgewerbe billigere Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen.
Die DGB-Jugend hat zum 50. Geburtstag des Jugendarbeitsschutzgesetzes die Postkartenaktion »Hände weg vom JArbSchG!« gestartet, um für den Erhalt des Gesetzes in seiner jetzigen Form zu kämpfen. Auf der Homepage der DGB-Jugend können verschiedene Postkarten heruntergeladen werden, die dann unterschrieben und gesammelt an die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) übergeben werden sollen. Die hatte auf dem DGB-Bundeskongress im Juni angesichts einer Protestaktion der DGB-Jugend bekräftigt, sie wolle das Gesetz nicht ändern. Mit den Postkarten soll sie an diese Worte erinnert werden. Denn die schwarz-gelbe Koalition habe im Koalitionsvertrag Fakten geschaffen.
»Ausbildungshemmnisse im Gastgewerbe werden durch ein flexibleres Jugendarbeitsschutzgesetz abgebaut«, steht darin. »Schutzvorschriften zu ›Ausbildungshemmnissen‹ zu erklären«, sei »eine nicht hinnehmbare Diffamierung des Jugendarbeitsschutzes«, sagte DGB-Vize Ingrid Sehrbrock am Freitag laut einer Mitteilung. Diese Sichtweise werde auch der bisherigen Debatte um eine Gesetzesnovelle nicht gerecht. Der DGB-Sachsen will die Aktion unterstützen. Landesvorsitzende Iris Kloppich sagte am Freitag, »gerade im Gastgewerbe ist der Jugendschutz sehr wichtig«.
Ob über die Postkartenaktion hinaus noch Aktionen geplant werden, stehe noch nicht fest, sagte Florian Haggenmiller, politischer Referent bei der DGB-Jugend, gegenüber ND. Da müsse man die weitere Entwicklung abwarten. »Aber wir befürchten, dass das Thema Lockerung auf die politische Agenda kommt.«
Postkarten und mehr Informationen unter: www.haende-weg.de
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