Ramadan »erobert« Frankreich
Große Supermarktketten stellen sich auf muslimische Kundschaft ein
Für fromme Muslime wird es in diesem Jahr noch ein bisschen schwerer: Der Fastenmonat Ramadan fällt mitten in den Hochsommer. In Frankreich, wo innerhalb Europas die größte muslimische Gemeinde lebt, stellen sich viele Muslime darauf ein, früher mit der Arbeit zu beginnen. Auf diese Weise können sie wenigstens noch ein paar Stunden mit vollem Magen arbeiten. Der Ramadan nimmt seit Jahren in Frankreich einen immer breiteren Platz in der Gesellschaft ein. Nicht zuletzt die großen Supermarktketten stellen sich auf ihre muslimische Kundschaft ein, die für das abendliche Fastenbrechen gerne gut einkauft.
Sogenannte Halal-Produkte, die den islamischen Reinheitsgeboten entsprechen, haben sich eine bedeutende Nische erobert. Ihre Kundschaft sei in Frankreich etwa viermal so groß wie die von Bioprodukten, so Soziologin Florence Bergeaud-Blackler. Große Ketten hätten lange gezögert, religiöse Produkte anzubieten, sagte sie der Zeitung »Libération«. Es bestand Sorge, dass dies als Angriff auf die laizistische Tradition Frankreichs gewertet würde, die die Religion in die Privatsphäre verbannt. Außerdem fürchteten die Anbieter Proteste von ausländer- und muslimfeindlichen Rechtsextremen. »Aber letztlich war es sinnvoller, das Risiko einzugehen, als auf diese Klientel zu verzichten.« Die Supermarktkette Casino hat die Marke Wassila eingeführt, bei Carrefour laufen Halal-Produkte unter dem Handelsnamen Sabrina. Viele Geschäfte richten zum Ramadan Angebotstische oder Sonderregale ein und bieten u. a. Trockenfrüchte und alkoholfreie Getränke an. Die meisten verzichten aber darauf, das Wort Ramadan in der Werbung zu benutzen, und setzen eher auf »orientalische Spezialitäten«.
In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Zahl der Muslime in Frankreich, die während des Ramadans fasten, von einem Drittel auf 70 Prozent angewachsen. Gerade unter jungen Muslimen der zweiten Einwanderergeneration ist die Quote besonders hoch. Möglicherweise hat auch die Debatte über den Vollschleier bei manchen Muslimen den Wunsch verstärkt, ihre Religionszugehörigkeit öffentlich zu demonstrieren. Aber auch im politischen Leben Frankreichs hat der Ramadan seinen Platz. Viele muslimische Gemeinden laden Politiker zum traditionellen Fastenbrechen ein – und das ist zeitaufwendig und kaloriengeladen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.