Fünf Ringe auf Frischzellenkur
Die Olympischen Jugendspiele dienen dem IOC zur Zukunftssicherung – das Spektakel kostet rund 300 Millionen Euro
Bald schon, wenn die neuesten Chroniken verfasst werden, dürfte auch Jacques Rogge, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, in den edlen Klub der olympischen Begründer aufsteigen. Bisher findet man dort nur die Namen von Baron de Coubertin, bei dem sich die Welt für die Spiele der Neuzeit zu bedanken hat, und jenen von Antonio Samaranch, der in den 80er Jahren das Zeitalter der Kommerzialisierung eingeläutet hatte, womit er der olympischen Bewegung zu einem enormen Machtzuwachs verhalf.
Rogge hat sich nun ebenfalls als Schöpfer hervorgetan. Die ersten Olympischen Jugendspiele, die heute in Singapur eröffnet werden, sind seine Idee. Läuft alles optimal, wird er künftig als jener Ober-Olympier in die Annalen eingehen, der die Jugend für die olympische Idee zurückgewinnen konnte.
Es ist ein sündhaft teueres Geschenk, das das IOC der Jugend da macht. Rund 300 Millionen Euro wird das Spektakel kosten, das 3600 junge Athleten im Alter zwischen 14 und 18 Jahren aus 205 Ländern in der Löwenstadt zusammenbringt, darunter 70 aus Deutschland. Und das IOC zahlt viel, etwa Reisekosten und Unterkunft aller Olympioniken. Klingt gönnerhaft, und das soll es auch. Es beantwortet allerdings nicht die Frage: Warum gehen die fünf Ringe auf Frischzellenkur? Droht die Flamme sonst zu erlöschen?
»Es ist eine Investition in die Zukunft«, sagt IOC-Vize Thomas Bach, zugleich Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. In der inoffiziellen Sprachregelung müsste es heißen: Es ist eine Investition gegen die Angst. Seit Jahren schon prognostizieren Statistiken, der olympischen Bewegung könnte die Jugend verlorengehen. Immer mehr verabschieden sie sich in der Pubertät vom Sport, für sie sind digitale Medien hipp. Olympia – nur noch ein antiquiertes Wettbewerbsfossil? Für das IOC ein Horrorszenario, denn: Ohne Jugend keine olympische Zukunft – und ohne olympische Zukunft kein Milliardengeschäft.
Nun, mit den Jugendspielen, will man gegensteuern. Und zugleich Gutes tun. Ziel von Rogge, der dem IOC seit neun Jahren vorsteht, ist es, die Jugend wegzuholen vom Computerbildschirm, vom Fast Food, von unsportlicher Haltung. Rogge will Sport und Bildung verbinden. In Singapur gibt es eine Jugendsportkonferenz, ein üppiges Kulturprogramm, dazu kommen Seminare zu Dopingprävention. Auch Partys wird es geben, es soll schließlich hipp sein.
Sportlich bewegt sich alles im Rahmen der traditionellen Spiele. Jene 26 Sportarten, die 2012 in London zum Programm gehören, werden auch in Singapur ausgetragen. Neue bekamen vorerst keine Chance, lediglich die Basketballer spielen diesmal unter freiem Himmel Streetball »drei gegen drei«. Einzige weitere Innovation: gemischte Staffeln von Mädchen und Jungen, zum Beispiel beim Schwimmen und im Radsport. Rogge sagt, es werde zwei bis drei Jugendspiele brauchen, bis das Event wirklich ausgereift ist.
Vor drei Jahren wurde das Projekt Youth Olympic Games (YOG) geboren, und von Beginn an gab es Skeptiker. Eine ist Schwimm-Olympiasiegerin Britta Steffen. Anfangs dachte sie, »Mensch, jetzt fangen die schon so früh an, die Kinder zu verheizen«, gestand sie gegenüber der »Berliner Zeitung«. Erst das umfangreiche Kultur- und Erziehungsprogramm konnte sie einigermaßen überzeugen. Zu den Jugendspielen sagt sie, das könne was werden, aber nur, »wenn es wirklich nicht nur um die Goldmedaille geht«. Geht es nicht, wie Thomas Bach beteuert. Die Medaillenwertung interessiere ihn nicht, hat er schon vor Wochen betont. »Es kommt darauf an, dass die Athleten Motivation und Inspiration für die olympische Idee mit nach Hause nehmen«, sagt Bach.
Alles andere wäre auch bedenklich, findet Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Er befürchtet, dass das Projekt Jugendolympia »nur eine Vorverlagerung des Leistungssports sein könnte«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.