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Zwischen Identität und Wirtschaftsfaktor

Frankreich: Ramadan immer stärker praktiziert

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Der islamische Fastenmonat Ramadan, der am vergangenen Mittwoch begonnen hat, wird seit einigen Jahren von immer mehr französischen Muslimen praktiziert. Von den fünf bis sechs Millionen Franzosen, die dem Islam angehören, halten heute mehr als 70 Prozent den Fastenmonat ein, während es 1989 noch 60 Prozent waren. Dagegen bekennen sich jetzt 20 Prozent Muslime dazu, nicht zu fasten, gegenüber 32 Prozent vor 20 Jahren.

Der Ramadan ist nur eine der fünf Säulen des islamischen Glaubens neben dem Bekenntnis zu Allah, dem Gebet, dem Geben von Almosen und der Pilgerreise nach Mekka. Doch offenbar ist das Fasten die naheliegendste und beliebteste Form des Bekenntnisses zum Glauben, weit vor der regelmäßigen Gebet, egal ob fünfmal täglich zu Hause und am Arbeitsplatz oder am Freitag in der Moschee. Den Ramadan einzuhalten ist nicht zuletzt eine Betonung der eigenen Identität und oft auch eine stumme Demonstration gegen die Stigmatisierung des Islam und seiner Anhänger durch Präsident Nicolas Sarkozy und seine Rechtsregierung. Diese machen angeblich nur gegen extremistische Islamisten Front, doch in der täglichen Praxis werden oft die Grenzen zu den »normalen« Muslimen verwischt.

In der seit dem 19. Jahrhundert laizistischen Republik, wo die Trennung von Kirche und Staat 1905 per Gesetz festgeschrieben wurde und Religion Privatsache ist, sind die meisten Gläubigen Katholiken. Offiziell ist der Islam heute die zweitstärkste Glaubensgemeinschaft im Land, wenngleich man dabei übergeht, dass die französischen Atheisten eigentlich noch viel zahlreicher sind. Doch die führen zu weniger Problemen im Zusammenleben und daher nimmt man sie kaum wahr. Dagegen sorgt der Islam und vor allem der Umgang mit ihm immer wieder für Aufsehen.

Da der Ramadan in diesem Jahr in die Hochsommerzeit fällt, ist der Fastentag mit bis zu 14 Stunden deutlich länger und strapaziöser als im Winter, wo es zwischen Sonnenaufgang und –untergang nur etwa zehn Stunden sind. Am Arbeitsplatz wird auf den Ramadan oft wenig Rücksicht genommen. Die großen Unternehmen, die von den Medien darauf angesprochen wurden, erklärten offiziell, dass für sie das Fasten ihrer Mitarbeiter eine Privatangelegenheit sei und es keinerlei Änderungen in der Arbeitsorganisation gebe. Vor Ort sieht es allerdings vielfach anders aus, denn vor allem in der Industrie, im Bauwesen oder im Reinigungsgewerbe, wo viel körperlicher Einsatz nötig ist, müssen die Manager und Vorarbeiter mit der verminderten Leistungsfähigkeit ihrer muslimischen Mitarbeiter rechnen und Arbeitszeit oder Pausen entsprechend einrichten. So fängt vielerorts der Arbeitstag um 5 Uhr statt um 7.30 an. Dafür wird die Mittagspause verlängert und die Möglichkeit für eine Siesta geschaffen. Andererseits fallen die kleinen Pausen für die Raucher weg, denn währen des Ramadan ist tagsüber nicht nur Essen und Trinken, sondern auch das Rauchen tabu.

Dass viele Muslime in diesem Jahr ihren Urlaub während des Ramadan nehmen oder Betriebe, wie die Renault-Autowerke im August sowieso geschlossen sind und ihre Mitarbeiter in die Ferien schicken, entschärft das Problem. Es ist allerdings bemerkenswert, dass sehr viele Franzosen nordafrikanischer Herkunft den Urlaub nicht wie üblich bei Verwandten in der ehemaligen Heimat verbringen, sondern lieber in Frankreich. Da es hier weniger heiß ist, sei der Ramadan leichter durchzustehen, meinen sie. Doch wenn sie dann ihre Kinder ins Ferienlager oder in die kommunale Ferienbetreuung schicken wollen, stoßen sie vielfach auf Hindernisse. Vielerorts haben die Stadtverwaltungen oder andere Träger die Teilnahme von fastenden Kindern oder Jugendlichen verboten. Sport und Spiel seien damit unvereinbar, und es könnten Gesundheitsschäden eintreten, argumentieren sie.

Da es in den Familien beim abendlichen »Fastenbrechen« meist einen besonders reich gedeckten Tisch gibt, ist der Bedarf an entsprechenden Lebensmitteln gerade im Ramadan sehr groß. Industrie und Handel haben lange gezögert, sich auf diesen speziellen Bedarf einzustellen, doch heute hat jede große Supermarktkette ihre eigene Marke für den Vertrieb von Produkten, die nach islamischen Regeln gezüchtet – bei Tieren geschlachtet – und verarbeitet wurden. Und auch die Werbewirtschaft hat den Ramadan und darüber hinaus die Zielgruppe der Muslime und ihr Bedarf an Produkten erkannt – und das spezielle Label »Halal« eingeführt.

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