Experten bereiten Freilassungen vor
Debatte um sieben Berliner Sicherungsverwahrte
Es ist ein kleiner Vorgeschmack auf die hysterische Debatte, die noch folgen könnte. »Berliner Polizei befürchtet Zuzug von Schwerverbrechern.« Die Überschrift des Berliner »Tagesspiegels« suggeriert, ehemals sicherungsverwahrte Verurteilte könnten aufgrund der Anonymität einer Großstadt nach Berlin kommen. Seriöse Belege für derartige Pläne der bundesweit 300 als besonders gefährlich eingestuften Straftäter, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember vergangenen Jahres möglicherweise freigelassen werden müssen, gibt es indes nicht. Als Quelle der Hypothese fungiert lediglich ein nicht näher genannter »leitender Beamter« des Polizeipräsidiums, der in dem Artikel für die gesamte Berliner Polizei herhalten muss.
Genauso gut könnte man allerdings auch behaupten, die sieben in Berlin einsitzenden Kapitalverbrecher wollen die Stadt verlassen, wenn die Strafvollstreckungskammern einer Entlassung zustimmen sollten. Dabei ist es egal, was die sieben Berliner wirklich vorhaben. Verwehren könnte man ihnen nichts. Denn sie wären freie Menschen, wie Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue erläutert: »Sie haben ihre Haftstrafen verbüßt – und die Sicherungsverwahrung abgesessen.« Dann gilt es, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu akzeptieren.
Weil die sieben Berliner, die einst schwere Sexual- oder Gewaltverbrechen begangen haben, die meiste Zeit ihres Lebens hinter Gittern verbracht haben, muss eine mögliche Freilassung sehr gut vorbereitet werden, erläutert der Sprecher der Justizsenatorin, Bernhard Schodrowski. »Zur Zeit bereiten deshalb Runde Tische von Experten akribisch die Freilassung der Verwahrten vor.« Beteiligt sind: Forensiker, Bewährungshelfer, Staatsanwaltschaft, Polizei und Justizvollzugsanstalten. »Es bringt niemandem etwas, die Betroffenen von einem Tag auf den anderen auf die Straße zu jagen«, meint Schodrowski, der betont, dass die Ängste aus der Bevölkerung diesbezüglich vom Senat sehr ernst genommen werden.
Ob und wie viele der sieben Berliner Sicherungsverwahrten weiterhin als gefährlich einzustufen sind, darüber wird zur Zeit ebenfalls in den Medien spekuliert. Unter Berufung auf Gutachter kursieren widersprüchliche Zahlen. »Alle sieben sind aus Expertensicht als gefährlich einzustufen«, schätzt Gisela von der Aue die Situation ein. Auf Grund dessen könne ein Restrisiko nicht ausgeschlossen werden. Deshalb handelt laut von der Aue der Senat nach der Maxime: »Je gründlicher die Vorbereitungen auf die Freiheit laufen, desto geringer ist die Rückfallgefahr.«
Probleme gibt es derweil aufgrund des hohen Alters der Betroffenen, teils über 70 Jahre, bei der Suche nach Plätzen in Einrichtungen des betreuten Wohnens. Es gebe »ganz große Schwierigkeiten«, den sechs aus der Justizvollzugsanstalt Tegel zur Entlassung anstehenden Männern Wohnmöglichkeiten zu vermitteln, hatte der Leiter der JVA Tegel, Ralph Adam, dem rbb-Radio gesagt. Einer wolle die Haft gar nicht verlassen.
Im Fokus der medialen Berichterstattung steht unterdessen die Arbeit, die im Rahmen der potenziellen Freilassungen auf die Polizei zukommt. Denn aufgrund der Rückfallgefahr müssen alle ehemaligen Sicherungsverwahrten polizeilich begleitet werden. Bei einem Einsatz rund um die Uhr sind das drei in Observationen geschulte Beamte pro Person, rechnet der Berliner Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Purper, vor. »Das ist angesichts der angespannten Personalsituation, auf die wir seit Jahren hinweisen, ausgesprochen problematisch«, kritisiert der Gewerkschafter.
Ob tatsächlich alle sieben Sicherungsverwahrten freikommen, steht noch nicht fest. Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue rechnet aber damit, dass bis zum Ende des Jahres Betroffene in Berlin entlassen werden könnten. Vorausgesetzt, die Strafvollstreckungskammern entscheiden so.
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