Pakistani in Berlin helfen Flutopfern

Community sammelt Hilfsgelder und Sachmittel / Kritik am Umgang der Regierung mit der Katastrophe

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

An der Ladentür des Textilhändlers Khalid Javed im Dong-Xuan-Center in Lichtenberg hängt ein Plakat mit der Kontonummer von »Deutschland hilft«, dem Netzwerk deutscher Nichtregierungsorganisationen, das gegenwärtig den Hochwasseropfern in Pakistan Unterstützung leistet. Unter seinem Ladentisch liegen ebenfalls solche Blätter. »Die bekommen meine Kunden. Denn die Opfer in Pakistan brauchen jede Hilfe«, sagt Javed, einer von rund 3500 Pakistani in Berlin. Wie die meisten pakistanischen Berliner stammt er aus dem Landessüden, der von den Fluten verschont geblieben ist. Noch, denn das Hochwassergebiet beginnt schon 50 Kilometer von seinem Heimatort in der Provinz Punjab entfernt. »Und ich weiß nicht, ob die Flut auch dorthin übergreift«, sagt der Textilhändler. Sein Vater hätte den entfernten Nachbarn, die alles verloren hatten, Mehl, Kleidung und ein Bett geschenkt. Auch Javed fühlt sich den Opfern verbunden.

Der kleine Mann, Anfang 40, schämt sich nicht, einzugestehen, dass er geweint hat, als er die Fernsehbilder von den Frauen und Kindern sah, die in den Fluten ertranken. Viele Pakistani in Berlin sind Textilhändler. Andere arbeiten in der Gastronomie oder als Taxifahrer. Die ersten kamen vor 25 Jahren als politische Flüchtlinge nach Deutschland. Nach der Moschee am Leopoldplatz im Wedding ist der eigentlich von Vietnamesen dominierte Dong-Xuan-Markt in Lichtenberg zweitwichtigster Treff der Berliner Pakistani. Etwa jeder fünfte Händler hier kommt aus Pakistan. Sie sind hervorragend integriert und sprechen sehr gut deutsch.

Ein paar Läden weiter verkauft Mohammad Nazir Chemma Lederwaren. Er ist im Ehrenamt Vorsitzender der Pakistanischen Gemeinde Berlins und tauscht gerade mit den Nachbarn die neuen Flutnachrichten aus. Alle stehen mit ihren Verwandten in Pakistan im Telefonkontakt, verfolgen die deutschen Nachrichtensendungen und die Berichte der britischen BBC.

Ein einziger pakistanischer Kollege im Dong-Xuan-Markt hat Eltern, die von den Fluten direkt betroffen sind. »Er hat keine Nachrichten mehr von seiner Familie, denn seine Heimatstadt ist seit Dienstag ohne Telefonnetz«, sagt einer der Männer. Der Kollege sei schon nach Hause gegangen, sein Chef hätte ihm freigegeben.

Groll hegen die Männer auf die pakistanische Regierung, die ihrer Meinung nach keine Hochwasservorsorge getroffen und die Soforthilfe verschlafen habe. Die Kritik der UNO an der mangelnden Spendenbereitschaft der Weltgemeinschaft teilen sie nicht. »Die ausländischen Regierungen tun doch etwas. Deutschland tut etwas. Die Medien helfen.«

Ihre Spendengelder geben sie nur bei »Deutschland hilft«, dem Netzwerk deutscher Nichtregierungsorganisationen ab. Zu denen haben sie Vertrauen. Spenden zur pakistanischen Botschaft würde keiner der Männer bringen. »Das Geld soll ja bei den Opfern ankommen und nicht irgendwo versacken«, sagt einer. Seinen Namen will er unter diesem Satz nicht in der Zeitung lesen. Und eigene Spendensammlungen der pakistanischen Gemeinde Berlins würden keinen Sinn machen, weil sie keine Hilfsstruktur im Katastrophengebiet hat.

Shahid Riaz ist Vorsitzender der bundesweit tätigen deutsch-pakistanischen Gemeinschaft für Kultur und Demokratie und in diesen Tagen ein Medienprofi geworden. Viele Zeitungen und Hörfunksender haben schon angerufen. Sogar Anne Will vom Fernsehsender ARD hätte nachgefragt, sagt er. Sein Vater wohne im Katastrophengebiet, das etwas höher gelegene Haus sei aber noch nicht überflutet, sagt er. Auch das Telefon funktioniere. »Aber viele meiner Schulfreunde und entfernten Verwandten haben alles verloren, was sie hatten. Sie können sich nicht mehr selbst helfen.« Routiniert bittet er, der Pakistans Politik sonst eher kritisch begleitet, die humanitäre Hilfe von der Politik zu trennen. »Wer kein sauberes Trinkwasser hat, kann doch nicht auf politische Veränderungen warten. Er braucht sofort Hilfe.«

Spendenkonto: Aktion Deutschland Hilft e.V., Spendenkonto: 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft, Köln, Bankleitzahl: 370 205 00

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