Wie gut vertritt der DGB Frauen?

Im Osten und im Norden engagieren sich Frauen mehr in Gewerkschaften

»Mehr Frauen in die Betriebsräte« fordert der DGB - und schickt zum Bündnis für Arbeit immer nur Männer. In dem Zwiespalt zwischen gleichstellungspolitischen Ansprüchen und realpolitischen Defiziten auch im eigenen Haus bewegt sich Anne Jenter, Leiterin der Abteilung Frauenpolitik beim DGB. Mit ihr sprach Nils Floreck.

ND: Nur ein Drittel der DGB-Mitglieder sind Frauen. Interessieren sich Frauen weniger für Gewerkschaftsarbeit?
Die Gewerkschaften haben noch viel Potenzial an Mitgliederzuwachs, wenn sie sich stärker um Fraueninteressen am Arbeitsplatz und in den Betrieben kümmern würden. Die neoliberale Wirtschaftspolitik treibt viele Frauen in Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnbereich. Da überlegen die Frauen sehr genau, ob sie sich den Gewerkschaftsbeitrag noch leisten können. Die geringfügig und befristet Beschäftigten sind vorwiegend Frauen und deutlich weniger organisiert.

ND: Warum liegt in den Ost-Landesverbänden der Frauenanteil bei über 40 Prozent, im Westen fast immer unter 30 Prozent?
Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist im Osten deutlich höher. Auf Grund eines Berichts der Bundesregierung zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern wissen wir, dass es im Osten unter den erwerbstätigen Frauen einige gibt, die mehr verdienen als ihre Männer und gleichzeitig Kinder haben. Das ist im Westen die absolute Ausnahme. Die traditionellen Rollenbilder für die Geschlechter waren und sind im Osten nicht so zementiert. In der DDR war klar, dass man Erwerbsarbeit und Familie miteinander vereinbaren kann. Das drückt sich in einem ganz anderen Selbstbewusstsein der Frauen in der Arbeitswelt aus. Auch deshalb engagieren sich Frauen im Osten mehr in der Gewerkschaft. Deutlich ist aber auch ein Nord-Süd-Unterschied. Im Norden ist nicht ohne Grund ein Landesbezirk mit dem höchsten Frauenanteil. Im Südwesten sind insbesondere die Ganztagsangebote für Kinder und Jugendliche zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch wenig ausgebaut, weil traditionelle Rollenbilder noch sehr stark sind.

ND: Im Bündnis für Arbeit sitzen von Gewerkschaftsseite nur Männer. Sind Frauen beim DGB vor allem Sekretärinnen?
Der DGB ist da Spiegelbild der Gesellschaft. Verwaltungsangestellte sind fast ausschließlich Frauen. Dort aber, wo entschieden wird, sind Frauen unterrepräsentiert. Einzige Ausnahme ist der fünfköpfige Geschäftsführende Bundesvorstand. Dort sind mit Ursula Engelen-Kefer und Ingrid Sehrbruck zwei Frauen vertreten. Auf Abteilungsleiterebene sind weniger als ein Fünftel Frauen. Die Vorstandssekretäre, die innerhalb der Verwaltung den geschäftsführenden Bundesvorstand unterstützen und damit Einfluss haben, sind ausschließlich Männer. Auch die Landesbezirksvorsitzenden sind alles Männer. Eva-Maria Stange ist die einzige Vorsitzende einer Mitgliedsgewerkschaft. Die Kommunikationsstruktur ist oft so, dass es den Eindruck macht, es sei nicht willkommen, wenn sich Frauen zu Wort melden.

ND: Ver.di hat sich vorgenommen, Geschlechtergerechtigkeit bis 2007 zu erreichen. Ist das nicht ein Armutszeugnis?
Die Satzungsbestimmungen zur Geschlechterdemokratie von ver.di finde ich sehr gut. Bei Neuwahlen müssen die Vorgaben heute schon eingehalten werden. Wenn alle Betriebe und alle Gewerkschaften Personalentwicklungspläne hätten, die sicherstellen, dass alle hauptamtlichen Leitungsfunktionen in fünf Jahren paritätisch besetzt sind, wäre viel erreicht. Außerdem gibt es schon heute Bereiche bei ver.di, in denen der Frauenanteil in Führungspositionen bei 50 Prozent liegt. Ich wäre froh, wenn der DGB eine ähnliche Personalentwicklung machen würde.

ND: Alice Schwarzer sagt, Feministinnen müssen akzeptieren, nicht geliebt zu werden. Wie beliebt sind Sie in den Spitzengremien der deutschen Gewerkschaft?
Ich hoffe, dass die Politik gewünscht ist, die ich vertrete. Problematisch ist es, wenn Frauenthemen und Gleichstellungspolitik nur in Sonntagsreden auftauchen. Der DGB muss sich der Mühe unterziehen, alle Forderungen auf ihre Auswirkungen auf Frauen und Männer zu überprüfen. Zuweilen muss man sich unbeliebt machen und bestimmte Dinge immer wieder einfordern.

ND: Mehr Familienfreundlichkeit wird in immer wieder gefordert. Wie familienfreundlich sind die Arbeitszeiten beim DGB?
Ich habe keine Kinder und hätte meine Arbeit auch nicht so machen können, wenn ich Kinder gehabt hätte. Ab einer bestimmten Führungsebene gelten die gesellschaftlichen Normen. Auch beim DGB. Wenn einzelne die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einfordern, stoßen sie auch hier an betriebsorganisatorische Grenzen. Im täglichen Ablauf wird schlicht Verfügbarkeit erwartet. In bestimmten Fällen wie Krankheit oder Pflege sind natürlich Sonderregelungen möglich. Allerdings werden gerade auch Männer beim DGB eher kritisch angesehen, wenn sie Elternzeit in Anspruch nehmen wollen. Auch eine Teilzeitkultur gibt es bis heute nicht. Dabei sind Teilzeitbeschäftigte meist viel engagierter, weil sie größere Reserven haben.

ND: Wenn Ganztagseinrichtungen Voraussetzung für die Erwerbsarbeit von Frauen sind, heißt das nicht, dass doch die Frauen für die Kinder zuständig sind?
Hier müssen wir von der Realität ausgehen. Wenn es Kindergärten mit verlängerten Öffnungszeiten und viel mehr Horte und Krippen gibt, sind wichtige Voraussetzungen geschaffen, dass Frauen durchgängig berufstätig sein können.

ND: Macht die Entlohnung von Hausarbeit aus DGB-Sicht Sinn? Oder wird traditionelle Arbeitsteilung attraktiver gemacht?
Jede Frau sollte selbst entscheiden können, ob sie zu Hause bleiben will oder nicht. Heute ist es so, dass sich Frauen oft nicht für Erwerbstätigkeit und Kinder entscheiden können, weil dafür die Rahmenbedingungen nicht da sind. Durch das Ehegattensplitting wird massiv unterstützt, dass gerade bei gut verdienenden Männern die Frau kein Einkommen hat. Das ist aber überhaupt kein Zukunftsmodell. Das Splitting sollte deshalb abgeschafft oder wenigstens ab einer bestimmten Einkommenshöhe gekappt werden.

ND: Das Ziel »gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit« scheint noch in weiter Ferne ...
In Westdeutschland gibt es bei gleichwertiger Arbeit von Frauen und Männern einen Einkommensunterschied von 25 Prozent, in Ostdeutschland liegt die Differenz bei 6 Prozent. Entscheidend ist, dass die Bundesregierung Rahmenbedingungen schafft, wie sie in der EU-Richtlinie zur Lohngleichheit vorgegeben sind. Zum Beispiel muss es möglich sein, dass nicht nur einzelne Frauen Entgeltgleichheit einklagen können, sondern auch Verbände oder Gewerkschaften das tun können. Hier sehe ich eine Aufgabe für die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode. Auch bei den Gewerkschaften selbst ist noch einiges zu tun.ND: Nur ein Drittel der DGB-Mitglieder sind Frauen. Interessieren sich Frauen weniger für Gewerkschaftsarbeit?
Die Gewerkschaften haben noch viel Potenzial an Mitgliederzuwachs, wenn sie sich stärker um Fraueninteressen am Arbeitsplatz und in den Betrieben kümmern würden. Die neoliberale Wirtschaftspolitik treibt viele Frauen in Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnbereich. Da überlegen die Frauen sehr genau, ob sie sich den Gewerkschaftsbeitrag noch leisten können. Die geringfügig und befristet Beschäftigten sind vorwiegend Frauen und deutlich weniger organisiert.

ND: Warum liegt in den Ost-Landesverbänden der Frauenanteil bei über 40 Prozent, im Westen fast immer unter 30 Prozent?
Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist im Osten deutlich höher. Auf Grund eines Berichts der Bundesregierung zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern wissen wir, dass es im Osten unter den erwerbstätigen Frauen einige gibt, die mehr verdienen als ihre Männer und gleichzeitig Kinder haben. Das ist im Westen die absolute Ausnahme. Die traditionellen Rollenbilder für die Geschlechter waren und sind im Osten nicht so zementiert. In der DDR war klar, dass man Erwerbsarbeit und Familie miteinander vereinbaren kann. Das drückt sich in einem ganz anderen Selbstbewusstsein der Frauen in der Arbeitswelt aus. Auch deshalb engagieren sich Frauen im Osten mehr in der Gewerkschaft. Deutlich ist aber auch ein Nord-Süd-Unterschied. Im Norden ist nicht ohne Grund ein Landesbezirk mit dem höchsten Frauenanteil. Im Südwesten sind insbesondere die Ganztagsangebote für Kinder und Jugendliche zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch wenig ausgebaut, weil traditionelle Rollenbilder noch sehr stark sind.

ND: Im Bündnis für Arbeit sitzen von Gewerkschaftsseite nur Männer. Sind Frauen beim DGB vor allem Sekretärinnen?
Der DGB ist da Spiegelbild der Gesellschaft. Verwaltungsangestellte sind fast ausschließlich Frauen. Dort aber, wo entschieden wird, sind Frauen unterrepräsentiert. Einzige Ausnahme ist der fünfköpfige Geschäftsführende Bundesvorstand. Dort sind mit Ursula Engelen-Kefer und Ingrid Sehrbruck zwei Frauen vertreten. Auf Abteilungsleiterebene sind weniger als ein Fünftel Frauen. Die Vorstandssekretäre, die innerhalb der Verwaltung den geschäftsführenden Bundesvorstand unterstützen und damit Einfluss haben, sind ausschließlich Männer. Auch die Landesbezirksvorsitzenden sind alles Männer. Eva-Maria Stange ist die einzige Vorsitzende einer Mitgliedsgewerkschaft. Die Kommunikationsstruktur ist oft so, dass es den Eindruck macht, es sei nicht willkommen, wenn sich Frauen zu Wort melden.

ND: Ver.di hat sich vorgenommen, Geschlechtergerechtigkeit bis 2007 zu erreichen. Ist das nicht ein Armutszeugnis?
Die Satzungsbestimmungen zur Geschlechterdemokratie von ver.di finde ich sehr gut. Bei Neuwahlen müssen die Vorgaben heute schon eingehalten werden. Wenn alle Betriebe und alle Gewerkschaften Personalentwicklungspläne hätten, die sicherstellen, dass alle hauptamtlichen Leitungsfunktionen in fünf Jahren paritätisch besetzt sind, wäre viel erreicht. Außerdem gibt es schon heute Bereiche bei ver.di, in denen der Frauenanteil in Führungspositionen bei 50 Prozent liegt. Ich wäre froh, wenn der DGB eine ähnliche Personalentwicklung machen würde.

ND: Alice Schwarzer sagt, Feministinnen müssen akzeptieren, nicht geliebt zu werden. Wie beliebt sind Sie in den Spitzengremien der deutschen Gewerkschaft?
Ich hoffe, dass die Politik gewünscht ist, die ich vertrete. Problematisch ist es, wenn Frauenthemen und Gleichstellungspolitik nur in Sonntagsreden auftauchen. Der DGB muss sich der Mühe unterziehen, alle Forderungen auf ihre Auswirkungen auf Frauen und Männer zu überprüfen. Zuweilen muss man sich unbeliebt machen und bestimmte Dinge immer wieder einfordern.

ND: Mehr Familienfreundlichkeit wird in immer wieder gefordert. Wie familienfreundlich sind die Arbeitszeiten beim DGB?
Ich habe keine Kinder und hätte meine Arbeit auch nicht so machen können, wenn ich Kinder gehabt hätte. Ab einer bestimmten Führungsebene gelten die gesellschaftlichen Normen. Auch beim DGB. Wenn einzelne die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einfordern, stoßen sie auch hier an betriebsorganisatorische Grenzen. Im täglichen Ablauf wird schlicht Verfügbarkeit erwartet. In bestimmten Fällen wie Krankheit oder Pflege sind natürlich Sonderregelungen möglich. Allerdings werden gerade auch Männer beim DGB eher kritisch angesehen, wenn sie Elternzeit in Anspruch nehmen wollen. Auch eine Teilzeitkultur gibt es bis heute nicht. Dabei sind Teilzeitbeschäftigte meist viel engagierter, weil sie größere Reserven haben.

ND: Wenn Ganztagseinrichtungen Voraussetzung für die Erwerbsarbeit von Frauen sind, heißt das nicht, dass doch die Frauen für die Kinder zuständig sind?
Hier müssen wir von der Realität ausgehen. Wenn es Kindergärten mit verlängerten Öffnungszeiten und viel mehr Horte und Krippen gibt, sind wichtige Voraussetzungen geschaffen, dass Frauen durchgängig berufstätig sein können.

ND: Macht die Entlohnung von Hausarbeit aus DGB-Sicht Sinn? Oder wird traditionelle Arbeitsteilung attraktiver gemacht?
Jede Frau sollte selbst entscheiden können, ob sie zu Hause bleiben will oder nicht. Heute ist es so, dass sich Frauen oft nicht für Erwerbstätigkeit und Kinder entscheiden können, weil dafür die Rahmenbedingungen nicht da sind. Durch das Ehegattensplitting wird massiv unterstützt, dass gerade bei gut verdienenden Männern die Frau kein Einkommen hat. Das ist aber überhaupt kein Zukunftsmodell. Das Splitting sollte deshalb abgeschafft oder wenigstens ab einer bestimmten Einkommenshöhe gekappt werden.

ND: Das Ziel »gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit« scheint noch in weiter Ferne ...
In Westdeutschland gibt es bei gleichwertiger Arbeit von Frauen und Männern einen Einkommensunterschied von 25 Prozent, in Ostdeutschland liegt die Differenz bei 6 Prozent. Entscheidend ist, dass die Bundesregierung Rahmenbedingungen schafft, wie sie in der EU-Richtlinie zur Lohngleichheit vorgegeben sind. Zum Beispiel muss es möglich sein, dass nicht nur einzelne Frauen Entgeltgleichheit einklagen können, sondern auch Verbände oder Gewerkschaften das tun können. Hier sehe ich eine Aufgabe für die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode. Auch bei den Gewerkschaften selbst ist noch einiges zu tun.

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