Barrierefrei – in den Köpfen
Neues Netzwerk für Behinderte in Treptow-Köpenick gegründet
Treptow-Köpenick hat eine Vorreiterrolle – zumindest was den Umgang mit Behinderten angeht. Ein neues Netzwerk, das den beziehungsreichen, leider englischen Namen Inclusion (Einbindung, Teilnahme) trägt, ist ein Novum in Berlin. Gegründet haben es bezirkliche Heim- und Einrichtungsträger, Vereine und Selbsthilfegruppen mit Unterstützung des Bezirksamtes. Sie alle setzen sich dafür ein, dass die auch von Deutschland unterzeichnete UN-Konvention für die Rechte von behinderten Menschen in die Realität umgesetzt wird.
Eine solche Arbeit beginne, so die Behindertenbeauftragte von Treptow-Köpenick, Gabriele Rühling, schon in der Schule. Dort sei die Aufnahme schwer behinderter Kinder in eine so genannte Regelklasse noch immer nicht die Normalität. Auch viele Betriebe würden lieber die dann fällige Abgabe zahlen, als die erforderliche Anzahl behinderter Mitarbeiter einzustellen. »Was wir brauchen, ist Barrierefreiheit nicht nur auf der Straße und in den Verkehrsmitteln und Gebäuden – sondern vor allem auch in den Köpfen«, schlussfolgert sie. Nachbarschaftliches Engagement sowie die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, seien jetzt gefragt. Eine Gemeinschaft, die Ausgrenzung ablehnt und sich öffnet, gerade für Behinderte, sei nötig.
In Treptow-Köpenick leben rund 27 000 schwerbehinderte Menschen. Die Hälfte davon ist geh- und/oder sehbehindert. Weitere 37 000 Menschen leiden unter Defiziten ab einem Grad von 20 Prozent. Wie aus einem Schreiben des Ausschusses für Soziales und Gesundheit an die Bezirksverordnetenversammlung hervorgeht, sind fast 30 Prozent der Einwohner des Stadtbezirkes im Berliner Südosten älter als 60 Jahre. Der derzeitige Anteil der über 75-Jährigen von 8,8 Prozent wird in den nächsten Jahren auf 12,4 Prozent steigen.
Angesichts solcher Zahlen und Tendenzen verschärfen sich in Treptow-Köpenick, dem flächenmäßig größten Berliner Bezirk, Probleme mit dem öffentlichen Nahverkehr. Alle acht noch in Berlin mit Tatra-Fahrzeugen betriebenen Straßenbahnlinien sind hier konzentriert. Sie verbinden entlegene Ortsteile, wie Rahnsdorf oder Schmöckwitz, mit dem Zentrum Köpenicks und den Bahnhöfen der S-Bahn. Da, wo schon gesunde Menschen Schwierigkeiten haben, die steilen Stufen der »Tatras« zu erklimmen, ist es für Behinderte gänzlich aussichtslos. Der Bezirk drängt deshalb, die Tatra-Bahnen durch behindertengerechte Niederflurbahnen zu ersetzen und zwar nicht erst 2017, wie von der BVG angekündigt wurde.
Aus dem Ortsteil Friedrichshagen gibt es dagegen positive Signale für Behinderte. So wurde der jetzt fertig gestellte Bahnhofsvorplatz in Richtung Kurpark auch auf die Bedürfnisse der Menschen mit Defiziten ausgerichtet.
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